22.05.2018

Mietvertrag zwischen Miteigentümergemeinschaft und Miteigentümer

Überlässt eine Miteigentümergemeinschaft gemeinschaftliche Räume einem ihrer Mitglieder vertraglich gegen Entgelt zur alleinigen Nutzung, kommt hierdurch regelmäßig ein (Wohnraum-)Mietverhältnis zustande. Dem wirksamen Zustandekommen eines solchen Mietvertrags steht nicht entgegen, dass der Miteigentümer hieran sowohl auf Mieterseite als auch - neben anderen Miteigentümern - auf Vermieterseite beteiligt ist.

BGH 25.4.2018, VIII ZR 176/17
Der Sachverhalt:
Die Kläger wohnen in einem Mehrfamilienhaus auf einem Anwesen in Berlin. Anwesen stand seit mehr als 100 Jahren im Eigentum der Familie der Klägerin zu 1). Ende des Jahres 2006 wurden die Klägerin zu 1) und ihre Schwester im Grundbuch zu je einem Sechstel als Miteigentümer des Hausgrundstücks eingetragen. Im Mai 2009 schlossen sämtliche damaligen Miteigentümer als "Grundstücksgemeinschaft" mit der Klägerin zu 1) und deren Ehemann, dem Kläger zu 2, einen als "Wohnungs-Einheitsmietvertrag" überschriebenen (Formular-)Vertrag, wonach die Kläger die streitgegenständliche über 214 m2 große Sechszimmerwohnung auf unbestimmte Zeit für eine monatliche Miete von insgesamt 1.259 € monatlich mieteten.

§ 20 des Mietvertrags enthält als Ziffer 2 unter der Überschrift "weitere Vereinbarungen" die handschriftliche Bezugnahme auf eine Anlage des Mietvertrags, wonach die Kläger als Mieter auf etwaige Minderungs- oder Instandhaltungsrechte sowie Ansprüche gegen die Vermieterin wegen sämtlicher bekannten und unbekannten Mängeln verzichteten. Weiter enthält § 20 des Mietvertrags unter Ziffer 4 folgende (handschriftliche) Regelung hinsichtlich der Gartennutzung:

"Die Mieter haben den hinteren Gartenteil hergerichtet. Ihnen steht ein alleiniges Nutzungsrecht zu."

Im Jahr 2014 erhielt die Klägerin zu 1) als Alleinerbin einer Miteigentümerin deren Miteigentumsanteil von einem Drittel, so dass sie fortan insgesamt die Hälfte der Miteigentumsanteile hielt. Nach dem Tod eines weiteren Miteigentümers erwarb die Beklagte, eine GbR, dessen Miteigentumsanteil von einem Drittel von dem Insolvenzverwalter aus dem Nachlass. Seit April 2016 ist die Beklagte als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Beklagte war sodann bestrebt, auch die übrigen, von der Klägerin zu 1) und deren - inzwischen verstorbenen - Schwester gehaltenen Miteigentumsanteile von insgesamt zwei Dritteln zu erwerben, was diese jedoch ablehnten.

Die Beklagte war der Ansicht, der oben genannte Vertrag aus Mai 2009 sei ihr gegenüber gem. § 1010 Abs. 1 BGB mangels Eintragung im Grundbuch unwirksam. Sie forderte die Kläger auf, aus der Wohnung auszuziehen, und kündigte die Beantragung einer Teilungsversteigerung an. Zugleich verlangte sie für den Zeitraum ab ihrer Eintragung als Miteigentümerin im Grundbuch bis zur Räumung der Wohnung von den Klägern die Zahlung einer über die oben genannte monatliche Miete hinausgehenden Nutzungsentschädigung in Höhe von zusätzlich 571 € monatlich. Ende Mai 2016 erklärte die Beklagte schließlich die Kündigung des Mietverhältnisses zum nächstmöglichen Termin, spätestens zum 30.10.2016.

Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass das Mietverhältnis gemäß dem oben genannten Mietvertrag bis auf weiteres fortbestehe und insbesondere nicht mit dem Erwerb des Miteigentumsanteils durch die Beklagte oder durch deren Schreiben aus April 2016 beendet worden sei. Die Beklagte erstrebte im Wege der Widerklage die Feststellung, dass die Kläger mietvertraglich gegenüber der Beklagten nicht das Recht zum ausschließlichen Nutzen und Besitz an dem hinter dem Haus gelegenen Garten des Anwesens haben. AG und LG haben die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Revision der Kläger hat der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben, der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Gründe:
Das LG hat zu Unrecht einen Anspruch der Kläger auf Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnung verneint, indem es den Vertrag vom aus Mai 2009 trotz dessen eindeutigen Inhalts rechtsfehlerhaft nicht als Mietvertrag, sondern als eine bloße gemeinschaftsrechtliche Verwaltungs- und Benutzungsregelung nach § 745 BGB angesehen hatte, welche die Beklagte mangels Eintragung im Grundbuch nicht binde (§ 1010 Abs. 1 BGB).

Überlässt eine Miteigentümergemeinschaft gemeinschaftliche Räume einem ihrer Mitglieder vertraglich gegen Entgelt zur alleinigen Nutzung, kommt hierdurch regelmäßig ein (Wohnraum-)Mietverhältnis. Auf ein derartiges Mietverhältnis sind die zum Schutz des Mieters vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden. Dem wirksamen Zustandekommen eines solchen Mietvertrags steht nicht entgegen, dass der Miteigentümer hieran sowohl auf Mieterseite als auch - neben anderen Miteigentümern - auf Vermieterseite beteiligt ist.

Dies gilt auch, wenn das vereinbarte Entgelt niedrig ist. Denn die Miete braucht nicht dem Mietwert der Sache zu entsprechen und kann daher, ohne dass dies der Annahme eines Mietvertrags entgegenstünde, auch weit unter der Marktmiete liegen. Selbst wenn in einem solchen Fall in dem Abschluss des Mietvertrags zugleich eine - einvernehmliche - gemeinschaftsrechtliche Regelung nach § 745 BGB liegen und insoweit zusätzlich auch die Regelungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sein sollten, änderte dies nichts daran, dass beim Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines (Wohnraum-)Mietvertrags die für einen solchen Vertrag geltenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die vom Gesetzgeber zum Schutz des Mieters vorgesehenen Bestimmun-gen, grundsätzlich auch im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft anzuwenden sind.

Ebenfalls zu Unrecht hat das Berufungsgericht - infolge der rechtsfehlerhaften Verneinung des Vorliegens eines Mietverhältnisses - auf die Widerklage hin den Klägern die in § 20 Ziffer 4 des Mietvertrags vereinbarte alleinige Nutzung des hinter dem Haus gelegenen Gartens aberkannt. Der Erwerber eines Miteigentumsanteils tritt in ein zwischen der Miteigentümergemeinschaft und einem oder einzelnen ihrer Mitglieder bestehendes Wohnraummietverhältnis gem. § 566 Abs. 1 BGB ein. Dies gilt auch, wenn die mietvertragliche Regelung nicht als Belastung des Miteigentumsanteils im Grundbuch eingetragen ist (§ 1010 Abs. 1 BGB). Eine auf den Fortbestand eines (Wohnraum-)Mietverhältnisses zwischen einer Miteigentümergemeinschaft und einem oder einzelnen ihrer Mitglieder gerichtete Feststellungsklage muss nicht gegen sämtliche Mitglieder der Miteigentümergemeinschaft erhoben werden, wenn nur einzelne von ihnen das Bestehen eines Mietverhältnisses in Abrede stellen.

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