Mitarbeiterin einer Handwerkskammer ist keine Syndikusrechtsanwältin
Anwaltsgerichtshof NRW v. 1.6.2018 - 1 AGH 33/17
Der Sachverhalt:
Die Beigeladene ist seit März 1999 bei einer Handwerkskammer beschäftigt. Nach der Tätigkeitsbeschreibung aus dem Jahr 2016 ist sie als "Abteilungsleiterin Zwischen-, Gesellen- u. Abschlussprüfungen, Rechtsfragen der beruflichen Bildung" tätig. Mit bei der Beklagten am 20.1.2016 eingegangenen Antrag beantragte die Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin.
Aus einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Beigeladene ihre Arbeitgeberin in Rechtsfragen fachlich unabhängig und eigenverantwortlich berät und vertritt. Die Beigeladene legte darüber hinaus zwei Bescheinigungen ihrer Arbeitgeberin vor, nach denen sie nicht mit hoheitlichen Tätigkeiten befasst ist, im Rahmen ihrer Beschäftigung zu 75 % anwaltlich tätig ist und die übrige Arbeitszeit für Abteilungsleitertätigkeiten aufwendet.
Die Klägerin hat der Zulassung der Beigeladenen nicht zugestimmt. Der Zulassung stehe die hoheitliche Tätigkeit der Beigeladenen entgegen. Nach ergänzenden Stellungnahmen der Beigeladenen hat die Beklagte die Beigeladene dennoch als "Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für die Tätigkeit bei der Handwerkskammer" zugelassen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Tätigkeit der Beigeladenen entspreche den Voraussetzungen des § 46 BRAO. Sie prüfe gem. der Tätigkeitsbeschreibung eigenverantwortlich und unabhängig Rechtsfragen betreffend Ausbildungsverträge, hinsichtlich der Aufnahme in die Lehrlingsrolle, zu möglichen Verkürzungen der Ausbildungsverhältnisse sowie zu Fragen des Prüfungsrechts. Sie erteile Rechtsrat und vertrete im Rahmen dieser Tätigkeit ihren Arbeitgeber nach außen. Der zeitliche Aufwand für administrative Tätigkeiten sei verschwindend gering. Hoheitliche Aufgaben übe die Beigeladene nicht aus.
Die Klägerin war der Ansicht, in materiell rechtlicher Hinsicht hätte die Zulassung nach § 7 Nr.8 BRAO versagt werden müssen. Nach den Aufgaben der Handwerksammer sei der Aufgabenbereich der Beigeladenen als hoheitliche Aufgabe zu definieren. Die Beigeladene leiste keine anwaltliche Rechtsberatung, sie werde auch nicht rechtsgestaltend tätig.
Die Anfechtungsklage war erfolgreich.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die Beigeladenen zu Unrecht als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Der Zulassungsbescheid ist materiell rechtswidrig, da er gegen § 46 a Abs.1 Nr.3 BRAO verstößt.
Der Senat geht zwar davon aus, dass die Tätigkeit der Beigeladenen den Kriterien des § 46 Abs.2 - 5 BRAO entspricht, soweit die Beigeladene die Handwerkskammer in Prüfungsangelegenheiten, insb. bei Widersprüchen gegen Prüfungsergebnisse, sowie in Aufsichtssachen gegenüber Handwerksbetrieben berät und im Streitfall gerichtlich vertritt. Offen bleiben kann, ob die Beigeladene in Prüfungs- und Aufsichtsangelegenheiten hoheitlich tätig wird und der Zulassung deshalb ein Versagungsgrund nach §§ 46 a Abs.1 Nr.2, 7 Nr.8 BRAO entgegensteht, da dieser Aufgabenbereich das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen nicht prägt.
Soweit die Beigeladene darüber hinaus in einem juristischen Kontext tätig wird, handelt es sich jedoch nicht um eine anwaltliche Tätigkeit, die den Kriterien des § 46 Abs.3 Nr.1 - 4 BRAO entspricht, es fehlt jedenfalls an der Verwirklichung der Merkmale aus § 46 Abs.3 Nr.2 u. 3 BRAO.a). Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich, dass die Beigeladene in verschiedener Hinsicht (rechts)beratend tätig wird. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine anwaltliche Beratung i.S.d. § 46 Abs.3 Nr.2 BRAO, sondern um eine allgemeine Rechtsberatung der Mitglieder der Handwerkskammer.
Die anwaltliche Beratung ist geprägt durch den Grundsatz der mandatsbezogenen Interessenverwirklichung; die Vertretung widerstreitender Interessen ist unzulässig (§ 43 a Abs.4 BRAO). Diesem Grundsatz entspricht auch das gesetzliche Leitbild des Syndikusrechtsanwaltes in § 46 Abs.5 BRAO. Dieser vertritt den Arbeitgeber in seinen Rechtsangelegenheiten bzw. in den Fällen des § 46 Abs.5 S.2 Nr.2 u. 3 BRAO die Rechtsangelegenheiten Dritter. Demgegenüber erbringt die Beigeladene zu einem wesentlichen Anteil interne Beratungsleistungen. Ihre Aufgabe ist es, alle Mitglieder der Handwerkskammer gleichermaßen zu beraten mit der Folge, dass sie nicht nur sowohl für den Ausbildungsbetrieb als auch den Auszubildenden in derselben Streitfrage rechtlich tätig sein darf, sondern in einigen Bereichen sogar tätig sein soll mit dem Ziel, ein für beide Parteien günstiges Ergebnis zu erreichen.
Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass die Beigeladene im Zusammenhang mit der Mitgliederbetreuung/-beratung rechtsgestaltend i.S.d. § 46 Abs.3 Nr.3 BRAO tätig wird. Soweit die Beigeladene ausgeführt hat, sie prüfe Rechtsfragen im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung von Lehrverträgen (Abkürzung/Verlängerung von Ausbildungszeiten, Urlaubsansprüche), führt sie dabei aufgrund der bestehenden tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen (BBiG, Ausbildungsordnung) keine selbständigen Verhandlungen als Vertreterin einer Vertragspartei. Vielmehr informiert die Beteiligten über die bestehende Rechtslage und wirkt auf die Umsetzung der bestehenden Regelungen hin.
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Die Beigeladene ist seit März 1999 bei einer Handwerkskammer beschäftigt. Nach der Tätigkeitsbeschreibung aus dem Jahr 2016 ist sie als "Abteilungsleiterin Zwischen-, Gesellen- u. Abschlussprüfungen, Rechtsfragen der beruflichen Bildung" tätig. Mit bei der Beklagten am 20.1.2016 eingegangenen Antrag beantragte die Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin.
Aus einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Beigeladene ihre Arbeitgeberin in Rechtsfragen fachlich unabhängig und eigenverantwortlich berät und vertritt. Die Beigeladene legte darüber hinaus zwei Bescheinigungen ihrer Arbeitgeberin vor, nach denen sie nicht mit hoheitlichen Tätigkeiten befasst ist, im Rahmen ihrer Beschäftigung zu 75 % anwaltlich tätig ist und die übrige Arbeitszeit für Abteilungsleitertätigkeiten aufwendet.
Die Klägerin hat der Zulassung der Beigeladenen nicht zugestimmt. Der Zulassung stehe die hoheitliche Tätigkeit der Beigeladenen entgegen. Nach ergänzenden Stellungnahmen der Beigeladenen hat die Beklagte die Beigeladene dennoch als "Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für die Tätigkeit bei der Handwerkskammer" zugelassen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Tätigkeit der Beigeladenen entspreche den Voraussetzungen des § 46 BRAO. Sie prüfe gem. der Tätigkeitsbeschreibung eigenverantwortlich und unabhängig Rechtsfragen betreffend Ausbildungsverträge, hinsichtlich der Aufnahme in die Lehrlingsrolle, zu möglichen Verkürzungen der Ausbildungsverhältnisse sowie zu Fragen des Prüfungsrechts. Sie erteile Rechtsrat und vertrete im Rahmen dieser Tätigkeit ihren Arbeitgeber nach außen. Der zeitliche Aufwand für administrative Tätigkeiten sei verschwindend gering. Hoheitliche Aufgaben übe die Beigeladene nicht aus.
Die Klägerin war der Ansicht, in materiell rechtlicher Hinsicht hätte die Zulassung nach § 7 Nr.8 BRAO versagt werden müssen. Nach den Aufgaben der Handwerksammer sei der Aufgabenbereich der Beigeladenen als hoheitliche Aufgabe zu definieren. Die Beigeladene leiste keine anwaltliche Rechtsberatung, sie werde auch nicht rechtsgestaltend tätig.
Die Anfechtungsklage war erfolgreich.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die Beigeladenen zu Unrecht als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Der Zulassungsbescheid ist materiell rechtswidrig, da er gegen § 46 a Abs.1 Nr.3 BRAO verstößt.
Der Senat geht zwar davon aus, dass die Tätigkeit der Beigeladenen den Kriterien des § 46 Abs.2 - 5 BRAO entspricht, soweit die Beigeladene die Handwerkskammer in Prüfungsangelegenheiten, insb. bei Widersprüchen gegen Prüfungsergebnisse, sowie in Aufsichtssachen gegenüber Handwerksbetrieben berät und im Streitfall gerichtlich vertritt. Offen bleiben kann, ob die Beigeladene in Prüfungs- und Aufsichtsangelegenheiten hoheitlich tätig wird und der Zulassung deshalb ein Versagungsgrund nach §§ 46 a Abs.1 Nr.2, 7 Nr.8 BRAO entgegensteht, da dieser Aufgabenbereich das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen nicht prägt.
Soweit die Beigeladene darüber hinaus in einem juristischen Kontext tätig wird, handelt es sich jedoch nicht um eine anwaltliche Tätigkeit, die den Kriterien des § 46 Abs.3 Nr.1 - 4 BRAO entspricht, es fehlt jedenfalls an der Verwirklichung der Merkmale aus § 46 Abs.3 Nr.2 u. 3 BRAO.a). Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich, dass die Beigeladene in verschiedener Hinsicht (rechts)beratend tätig wird. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine anwaltliche Beratung i.S.d. § 46 Abs.3 Nr.2 BRAO, sondern um eine allgemeine Rechtsberatung der Mitglieder der Handwerkskammer.
Die anwaltliche Beratung ist geprägt durch den Grundsatz der mandatsbezogenen Interessenverwirklichung; die Vertretung widerstreitender Interessen ist unzulässig (§ 43 a Abs.4 BRAO). Diesem Grundsatz entspricht auch das gesetzliche Leitbild des Syndikusrechtsanwaltes in § 46 Abs.5 BRAO. Dieser vertritt den Arbeitgeber in seinen Rechtsangelegenheiten bzw. in den Fällen des § 46 Abs.5 S.2 Nr.2 u. 3 BRAO die Rechtsangelegenheiten Dritter. Demgegenüber erbringt die Beigeladene zu einem wesentlichen Anteil interne Beratungsleistungen. Ihre Aufgabe ist es, alle Mitglieder der Handwerkskammer gleichermaßen zu beraten mit der Folge, dass sie nicht nur sowohl für den Ausbildungsbetrieb als auch den Auszubildenden in derselben Streitfrage rechtlich tätig sein darf, sondern in einigen Bereichen sogar tätig sein soll mit dem Ziel, ein für beide Parteien günstiges Ergebnis zu erreichen.
Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass die Beigeladene im Zusammenhang mit der Mitgliederbetreuung/-beratung rechtsgestaltend i.S.d. § 46 Abs.3 Nr.3 BRAO tätig wird. Soweit die Beigeladene ausgeführt hat, sie prüfe Rechtsfragen im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung von Lehrverträgen (Abkürzung/Verlängerung von Ausbildungszeiten, Urlaubsansprüche), führt sie dabei aufgrund der bestehenden tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen (BBiG, Ausbildungsordnung) keine selbständigen Verhandlungen als Vertreterin einer Vertragspartei. Vielmehr informiert die Beteiligten über die bestehende Rechtslage und wirkt auf die Umsetzung der bestehenden Regelungen hin.
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