15.03.2016

Nachbar haftet für beschädigte Grenzwand nach Abrissarbeiten auf eigenem Grundstück

Ein Grundstückseigentümer, der eine auf dem Nachbargrundstück errichtete Grenzwand beschädigt, indem er ein auf seinem eigenen Grundstück direkt an die Grenzwand angebautes Gebäude abreißt, kann dem Nachbarn aus § 823 Abs. 1 BGB haften. Zwar war es dem Grundstückseigentümer unbenommen, den in ihrem Eigentum stehenden Anbau abreißen zu lassen. Das Eigentum des Nachbarn darf er aber nicht dauerhaft beschädigen, selbst wenn es sich um eine unvermeidliche Folge des Abrisses handelt.

BGH 18.12.2015, V ZR 55/15
Der Sachverhalt:
Die Parteien waren Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Außenwand des auf dem Grundstück des Klägers errichteten Gebäudes verläuft entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, ohne diese zu überschreiten. An der Wand hatten die Rechtsvorgänger der Beklagten einen Anbau ohne eigene Grenzwand errichtet.

Im Jahr 1988 erwarben die Beklagten das Grundstück. Im Jahr 2009 ließen sie den Anbau durch ein Fachunternehmen abreißen, ohne die Bodenplatte zu entfernen. Nach dem Abbruch wies das Gebäude des Klägers im Teilbereich der Außenwand, an den angebaut worden war, Putz- und Mauerschäden sowie Feuchtigkeitsschäden im Keller auf. Der Kläger verlangte auf Gutachtenbasis Ersatz dieser Schäden von den Beklagten, die inzwischen nicht mehr Eigentümer des Nachbargrundstücks sind.

Das LG wies die Klage auf Zahlung von 10.600 € ab; das OLG gab der Klage i.H.v. 8.560 € statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Der Kläger ist Eigentümer der beschädigten Außenwand. Diese ist eine Grenzwand gem. § 19 NachbarG NRW, d.h. eine Wand, deren Außenkante auf der Grundstücksgrenze verläuft, ohne diese zu überschreiten. Sie steht gem. § 94 Abs. 1 S. 1 BGB im alleinigen Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers. Hieran ändert sich - wie hier - nichts durch einen Anbau von dem angrenzenden Grundstück aus. Allerdings hat sich der Senat mit der Verpflichtung zum Ersatz von Schäden, die an einer Grenzwand bei dem Abriss eines direkt an dieser Wand auf dem Nachbargrundstück errichteten Anbaus entstehen, bislang noch nicht befasst.

Insofern stimmt der Senat - wie das Berufungsgericht - einer Ersatzpflicht der Beklagten für die entstandenen Putz- und Mauerschäden im Ergebnis zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen waren nach Ansicht des Senats jedoch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten gegeben. Richtig ist zwar, dass das beauftragte Abrissunternehmen kein Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 Abs. 1 BGB ist. Die Haftung der Beklagten ergab sich jedoch aus § 823 Abs. 1 BGB.

Die Schäden an der Grenzwand des Klägers waren im Auftrag der Beklagten verursacht worden; die Beeinträchtigung des Eigentums konnte ihnen zugerechnet werden. Unmittelbar waren die Putz- und Mauerschäden zwar von dem Abrissunternehmen herbeigeführt worden. Dies beruhte aber nicht auf einem Fehlverhalten des beauftragten Unternehmens, sondern war aufgrund der baulichen Verbindung der Gebäude unvermeidliche Folge des Abrisses, den die Beklagten in Auftrag gegeben hatten. Es handelte sich um neue und eigenständige Schäden, die über die bei Errichtung des Anbaus an der Wand verursachten Substanzschäden hinausgingen. Die Rechtswidrigkeit der Eigentumsbeeinträchtigung war auch indiziert. Zwar war es den Beklagten unbenommen, den in ihrem Eigentum stehenden Anbau abreißen zu lassen. Das Eigentum des Klägers durften sie aber nicht dauerhaft beschädigen, selbst wenn es sich um eine unvermeidliche Folge des Abrisses handelte.

Zu ersetzen waren letztlich auch die Feuchtigkeitsschäden. Insoweit hatte das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog rechtsfehlerfrei als gegeben angesehen. Ein solcher Anspruch liegt dann vor, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 862 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Zu diesen rechtswidrigen Einwirkungen gehört auch Wasser.

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