18.08.2016

Nachbesserung oder Nachlieferung? Zum Wahlrecht des Käufers beim Fahrzeugkauf

Bietet der Verkäufer eines mangelhaften Fahrzeugs dem Käufer eine Nachbesserung an, kann der Käufer anstelle der Nachbesserung regelmäßig noch eine Nachlieferung verlangen, wenn er die Nachbesserung nicht verlangt und sich über diese nicht mit dem Verkäufer verständigt hat. Der Verkäufer kann den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung (§ 439 Abs. 3 BGB) nicht mehr erheben, wenn der Käufer den Rücktritt oder die Minderung erklärt oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

OLG Hamm 21.7.2016, 28 U 175/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb im Juni 2013 vom beklagten Autohaus einen fabrikneuen KIA Ceed zum Kaufpreis von rd. 16.300 €. Im Dezember 2013 erhielt die Klägerin Kenntnis von einem Transportschaden am Auspuffrohr und Tank des Fahrzeugs, der bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhanden und nicht fachgerecht behoben worden war. Die Beklagte bot der Klägerin eine kostenfreie Schadensbeseitigung an, auf die sich die Klägerin nicht einließ, weil die Beklagte eine zusätzliche Minderung des Kaufpreises ablehnte.

Daraufhin verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte hierzu nicht bereit war. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin - unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils - die Rückzahlung des Kaufpreises und die Erstattung der Zulassungskosten i.H.v. zusammen rd. 15.000 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Das LG sah den Rücktritt als unverhältnismäßig an und wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage überwiegend statt.

Die Gründe:
Die Beklagte muss der Klägerin - unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils von rd. 2.850 € und gegen Rückgabe des Fahrzeugs - den Kaufpreis und die Zulassungskosten i.H.v. zusammen rd. 13.600 € erstatten.

Die Klägerin ist wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Das verkaufte Fahrzeug wies bei der Übergabe einen Sachmangel auf. Deswegen durfte die Klägerin eine Ersatzlieferung verlangen. Ihr Nachlieferungsverlangen ist nicht wegen einer vorrangigen Nachbesserung ausgeschlossen. Eine Nachbesserung hat die Klägerin nicht verlangt, sie ist ihr vielmehr von der Beklagten angeboten worden, ohne dass sich die Parteien über ihre Modalitäten verständigt hätten. Daher konnte die Klägerin anschließend noch Nachlieferung verlangen.

Die Nachlieferung war der Beklagten auch möglich. Sie hat nicht dargelegt, kein mangelfreies anderes Neufahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung beschaffen zu können. Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit einer Nachlieferung kann die Beklagte demgegenüber nicht mehr mit Erfolg erheben. Der Einwand muss vom Verkäufer geltend gemacht werden, solange noch ein Nacherfüllungsanspruch besteht. Dieser erlischt jedoch u.a. dann, wenn der Käufer zu Recht vom Vertrag zurücktrete. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Einwand verspätet, nämlich erstmals im Prozess, erhoben.

Der Rücktritt ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die infrage stehende Pflichtverletzung der Beklagten als unerheblich anzusehen wäre. Unerheblich ist lediglich ein geringfügiger Mangel, der mit einem Kostenaufwand von bis zu 5 Prozent des Kaufpreises zu beseitigen ist. Ein derartiger Mangel lag im vorliegenden Fall aber nicht vor. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten waren Mangelbeseitigungskosten zu veranschlagen, die rd. 12 Prozent des Kaufpreises ausgemacht hätten.

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OLG Hamm PM vom 15.8.2016
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