14.06.2016

Nichtiges Angebot beim Grundstückskauf kann zusätzlich aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle unwirksam sein

Ein auf den Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags gerichtetes Angebot, das nicht notariell beurkundet und daher nichtig ist, kann, soweit es AGB enthält, zusätzlich aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle gem. § 308 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sein; außerdem erlischt es, wenn es nicht fristgerecht angenommen wird. Wird ein bereits erloschenes formnichtiges Angebot auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags angenommen, führen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch nicht dazu, dass der Vertrag zustande kommt.

BGH 13.5.2016, V ZR 265/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich im März 2006 dazu entschloss, auf Vermittlung einer GmbH eine noch zu sanierende Eigentumswohnung zu kaufen. Verkäuferin war eine GbR, deren Gesellschafterin u.a. die Rechtsvorgängerin der Beklagten war. Vor der Beurkundung schlossen der Kläger und die Verkäuferin eine "Eigenprovisionsvereinbarung" ab, wonach dem Kläger von dem zu zahlenden Kaufpreis rund 13.004 € zustehen sollten. Hiervon sollten zunächst die Erwerbsnebenkosten bezahlt werden; einen Restbetrag von rund 7.315 € sollte der Kläger erhalten.

Am 29.5.2006 gab der Kläger vor einem Notar ein "Angebot über einen Kauf- und Werkvertrag für eine Eigentumswohnung in einem zu sanierenden Altbau" zum Preis von 81.279 € ab. Die Eigenprovisionsabrede ging daraus nicht hervor. In der Urkunde heißt es lediglich, dass der Käufer sich bis zum 4.7.2006 an das Angebot gebunden halte. Danach sollte das Angebot bis zu einem gegenüber einem anderen Notar zu erklärenden Widerruf des Käufers weitergelten. Am 16.6.2006 nahm der Kläger ein Darlehen über 81.200 € auf. Am 10.8.2006 nahm die Verkäuferin das Angebot an und erklärte - zugleich als Vertreterin des Klägers - die Auflassung. Der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

LG und OLG gaben der auf Rückabwicklung des Vertrags gerichteten Klage im Wesentlichen statt. Die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die Annahme des Berufungsgerichtes, ein Vertrag zwischen dem Kläger und der Verkäuferin sei nicht zustande gekommen und die Beklagte hafte in analoger Anwendung von § 128 HGB als Gesellschafterin der Verkäuferin für die Rückzahlung des Kaufpreises, hielt der rechtlichen Nachprüfung stand.

Klauseln in AGB, nach denen das Angebot des anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit angenommen werden kann (sog. unbefristete Fortgeltungsklauseln), sind auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn das Angebot - wie hier - nicht bindend, sondern widerruflich ist. Infolgedessen war das Angebot im Zeitpunkt der Annahme gem. § 146 BGB erloschen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die verspätete Annahmeerklärung der Verkäuferin, die gem. § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot galt, angenommen hatte, waren nicht ersichtlich. Eine Annahme durch Schweigen kommt bei beurkundungsbedürftigen Grundstücksgeschäften nämlich nicht in Betracht.

Der Umstand, dass die vertraglich vereinbarte Eigenprovision aus der notariellen Urkunde nicht hervorging, änderte nichts an diesem Ergebnis. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die verdeckten Willenserklärungen abgesehen von dem Kaufpreis und der Eigenprovisionsabrede mit demselben Inhalt abgegeben worden waren wie die beurkundeten Erklärungen, und zwar zeitgleich mit diesen. Mit dem verdeckten Inhalt waren Angebot und Annahme jedoch formunwirksam gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB und damit nichtig gem. § 125 S. 1 BGB). Hieraus folgerten die Notare, dass der Formmangel gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt worden sei, weil die erforderliche Willensübereinstimmung bei der Auflassung vorgelegen habe. Die verspätete Annahme habe sich wegen des Formmangels nicht ausgewirkt. Denn ein nichtiges Angebot könne ohnehin nicht - also auch nicht verspätet - angenommen werden. Ebenso wenig könne es erlöschen. Diese Auffassung teilt der Senat jedoch nicht.

Ein auf den Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags gerichtetes Angebot, das nicht notariell beurkundet und daher nichtig ist, kann, soweit es AGB enthält, zusätzlich aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle gem. § 308 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sein; außerdem erlischt es, wenn es nicht fristgerecht angenommen wird. Wird ein bereits erloschenes formnichtiges Angebot auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags angenommen, führen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch nicht dazu, dass der Vertrag zustande kommt.

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