Notveräußerung: § 111l StPO a.F. findet auf Grundstücke keine Anwendung
BGH v. 11.10.2018 - V ZB 241/17Zur Sicherung möglicher zivilrechtlicher Ansprüche, die Verletzten aus Straftaten des Beteiligten zu 2) erwachsen waren, beschlagnahmte der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 30.9.2010 ein Grundstück. Die Eintragung des Beschlagnahmevermerks in das Grundbuch erfolgte am 26.10.2010. Als Eigentümer des Grundstücks ist im Grundbuch der Beteiligte zu 2) eingetragen. Er wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 22.2.2017 wegen Beihilfe zum Bankrott verurteilt. In dem Strafbefehl ist festgestellt, dass hinsichtlich des beschlagnahmten Grundstücks nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wurde, weil Ansprüche eines Verletzten dem entgegenstehen. Durch Beschluss vom selben Tag wurde die Beschlagnahme des Grundstücks für drei Jahre aufrechterhalten.
Die Staatsanwaltschaft ordnete mit Verfügung vom 29.5.2017 gegenüber dem Beteiligten zu 2) die Notveräußerung des Grundstücks an. Anschließend beantragte sie bei dem Vollstreckungsgericht, das Grundstück "im Wege der Notveräußerung gem. § 111l Abs. 1 StPO i.V.m. § 864 ZPO zwangszuversteigern". Zur Begründung führte sie aus, auf dem Grundstück befinde sich ein Rohbau, der seit der Beschlagnahme nicht genutzt worden sei. Er sei den Witterungseinflüssen ausgesetzt und durch fehlende Belüftung bereits stark geschädigt sowie von Schimmel befallen. Angesichts des drohenden weiteren Wertverlusts müsse das Grundstück veräußert werden.
Das AG - Vollstreckungsgericht - wies den Versteigerungsantrag zurück. Die sofortige Beschwerde des Freistaats Bayern (Beteiligter zu 1) hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg, wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsversteigerung liegen nicht vor. Auf § 111l Abs. 1 und 5 StPO in der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung kann die Staatsanwaltschaft ihren Antrag weder in direkter noch in analoger Anwendung stützen.
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LG davon aus, dass sich die von der Staatsanwaltschaft angeordnete Notveräußerung nach den bis zum 30.6.2017 geltenden Regelungen des StGB und der StPO richtet und nicht nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 am 1.7.2017 in Kraft getretenen Neuregelungen. Denn nach § 14 EGStPO gilt dieses Gesetz nicht, wenn - wie hier - vor dem 1.7.2017 in einem Urteil oder Strafbefehl festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. entgegenstehen. Die Notveräußerung beschlagnahmter Gegenstände richtet sich daher nach § 111l StPO a.F. Anders als das LG meint, steht der Anordnung der Zwangsversteigerung bereits entgegen, dass § 111l Abs. 1 StPO a.F. auf Grundstücke keine Anwendung findet. Deshalb erweist sich die Entscheidung jedenfalls im Ergebnis als richtig. Die vom LG erörterte Zuständigkeitsfrage stellt sich deshalb nicht.
Ob § 111l Abs. 1 StPO a.F., wonach Vermögenswerte, die nach § 111c StPO a.F. beschlagnahmt worden sind, veräußert werden dürfen, wenn ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht oder wenn ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist, auch auf unbewegliche Sachen Anwendung findet, ist allerdings umstritten. Nach verbreiteter Auffassung ist § 111l Abs. 1 StPO a.F. weit zu verstehen und erfasst nicht nur bewegliche, sondern auch unbewegliche Sachen. Nach anderer Ansicht fallen unbewegliche Sachen nicht unter § 111l Abs. 1 StPO a.F.; begründet wird dies damit, dass es in § 111l Abs. 5 StPO a.F. an einem Verweis auf die für Grundstücke geltenden vollstreckungsrechtlichen Regelungen fehle. Die letztgenannte Auffassung ist richtig.
Zwar erfasst § 111c StPO a.F., auf den § 111l Abs. 1 StPO a.F. hinsichtlich der beschlagnahmten Gegenstände verweist, sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen. Gem. § 111c Abs. 2 StPO a.F. wird die Beschlagnahme eines Grundstücks oder eines Rechtes, das den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, dadurch bewirkt, dass ein Vermerk über die Beschlagnahme in das Grundbuch eingetragen wird. Der nicht weiter eingeschränkte Wortlaut des § 111l Abs. 1 StPO a.F. lässt es deshalb zu, auch Grundstücke als Gegenstand einer Notveräußerung anzusehen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und der Regelungszusammenhang von § 111l Abs. 1 und Abs. 5 StPO, wonach die Notveräußerung nach den Vorschriften der ZPO über die Verwertung einer gepfändeten Sache durchgeführt wird, belegen jedoch, dass eine solche Auslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Sie liegt auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht nahe.
§ 111l StPO a.F. und die Vorschriften des ZVG sind entgegen einzelnen Stimmen in der Literatur auf die Notveräußerung von Grundstücken auch nicht analog anzuwenden. Für eine analoge Anwendung des § 111l StPO a.F. auf Grundstücke fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass die Norm auf unbewegliche Sachen keine Anwendung findet, beruht nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch Grundstücke der Regelung über die Notveräußerung beschlagnahmter Gegenstände unterwerfen wollte.
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