30.03.2016

Notwendige Kosten eines Rechtsstreits

Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt.

BGH 25.2.2016, III ZB 66/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte gegen ein ihre Klage abweisendes Urteil des LG Berufung eingelegt und diese begründet. Mit Beschluss vom 22.10.2014 wies das OLG die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14.11.2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12.11.2014, der am selben Tag beim OLG einging und am 20.11.2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück.

Mit Beschluss vom 13.11.2014 sprach das OLG aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14.11.2014, eingegangen beim OLG am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des LG die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Auf Antrag der Beklagten setzte das LG die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 RVG VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 RVG VV) und einer Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 RVG VV) auf 905 € nebst Zinsen fest. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin wies das OLG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG auf und wies den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zurück.

Gründe:
Das OLG hatte zu Unrecht einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten i.H. einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) bejaht.

Die vom LG antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehörte nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden war. Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO muss die unterliegende Partei oder im Fall der Berufungsrücknahme der Berufungskläger dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren.

Notwendig sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt. Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen musste.

Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt. In den Fällen, in denen das Berufungsgericht dem Rechtsmittelkläger eine Frist zur Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme gesetzt hat, kann der Rechtsmittelbeklagte, der eine Erwiderung zum Fristende erwägt, außerdem eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen ist, durch eine (gegebenenfalls telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.

Die Beklagten konnten auch nicht gem. § 91 Abs. 1 S. 1, § 516 Abs. 3 ZPO die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV (i.V.m. einer 0,9-fachen Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) verlangen. Denn wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht wurde, kommt die Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft i.S.v. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG VV betrieben hat und damit jedenfalls die ermäßigte 1,1-fache Verfahrensgebühr angefallen ist. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen. Daran fehlte es jedoch im vorliegenden Fall.

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