10.11.2017

Organschaft bei Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter

Die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen des beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Gesellschafter der beherrschten Gesellschaft steht der körperschaftsteuerrechtlichen Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrags entgegen, wenn neben einem bestimmten Festbetrag ein zusätzlicher Ausgleich gewährt wird, dessen Höhe sich am Ertrag der vermeintlichen Organgesellschaft orientiert und der zu einer lediglich anteiligen Gewinnzurechnung an den vermeintlichen Organträger führt.

Kurzbesprechung
BFH v. 10. 5. 2017 - I R 93/15

KStG § 16, § 17 Satz 2 Nr. 2

Ausgleichszahlungen stehen grundsätzlich der steuerlichen Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nicht entgegen, weil der Steuergesetzgeber die Leistung von Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter bei der Statuierung der Selbstversteuerungspflicht der Organgesellschaft in §§ 16, 17 Satz 1 KStG vorausgesetzt hat. Allerdings darf durch eine - vollständige oder zumindest teilweise - Koppelung der Ausgleichszahlung an das Ergebnis der Organgesellschaft vor Gewinnabführung die tatsächliche Durchführung der Gewinnabführungsverpflichtung nicht in Frage gestellt werden. Jedenfalls dann, wenn dem außenstehenden Gesellschafter infolge der Ausgleichszahlung der Gewinn der Organgesellschaft in dem Verhältnis zufließt, in dem er ohne Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag zu verteilen gewesen wäre, liegt die von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG vorausgesetzte Abführung des ganzen Gewinns an den Organträger nicht vor.

Gegen eine "freie" und vom Steuerrecht grundsätzlich zu akzeptierende Festlegung der Ausgleichszahlungen im Fall einer GmbH-Organgesellschaft spricht auch die vom Steuergesetzgeber angeordnete entsprechende Anwendung der §§ 14 bis 16 KStG (§ 17 Satz 1 KStG). Die für Aktiengesellschaften einschlägigen Organschaftsregelungen für Ausgleichszahlungen (§§ 14 Abs. 1 und 16 KStG i.V.m. § 304 AktG, wonach die Beachtung des §304 AktG zivilrechtliches und auch steuerrechtliches Wirksamkeitserfordernis ist), gelten demnach für eine GmbH als Organgesellschaft entsprechend. § 304 AktG sieht lediglich einen festen Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 1 AktG) und einen am Ergebnis des Organträgers orientierten variablen Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 2 AktG), nicht aber einen am (schwankenden) Gewinn der beherrschten Gesellschaft orientierten variablen Ausgleich vor.

Nach diesen Grundsätzen war im Streitfall nicht von einer Gesamtgewinnabführung auszugehen. Denn die Ausgleichszahlungsregelung war darauf angelegt, die Gesellschafter der Steuerpflichtigen finanziell im Wesentlichen so zu stellen, wie sie ohne Organschaft gestanden hätten. Maßgeblich hierfür war nicht die volle betragsmäßige Übereinstimmung der Ergebnisverteilung vor und nach Abschluss des Gewinnabführungsvertrags, sondern die wertende Betrachtung der Abrede. Denn im Streitfall hatte eine Orientierung an der bisherigen Gewinnverteilungsregelung der - vermeintlichen - Organgesellschaft stattgefunden.

Darüber hinaus hat der BFH entschieden, dass eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG a.F. voraussetzt, dass ausdrücklich die Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG (in allen seinen Bestandteilen und in den jeweiligen Regelungsfassungen) vereinbart worden ist. Dieses Vereinbarungserfordernis bezieht sich auch auf solche Regelungsbestandteile des § 302 AktG, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gewinnabführungsvertrags noch nicht in Kraft getreten waren (im Streitfall: § 302 Abs. 4 AktG). Im Falle der Änderung des § 302 AktG ist demnach eine dieser Vorschrift entsprechende Vereinbarung - durch Anpassung des ursprünglichen Gewinnabführungsvertrags - zu treffen.

BFH, Urteil vom 10.5.2017, I R 93/15, veröffentlicht am 08.11.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt