02.03.2015

Planwidriger Zustand: Erwerber sind nicht zwangsläufig Störer

Erwerber von Eigentumswohnungen, die mit dem teilenden Eigentümer vom Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltungen vereinbaren, sind hinsichtlich der sich daraus ergebenden Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nicht als Störer anzusehen. Infolgedessen sind sie gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern nicht zur Beseitigung des planwidrigen Zustands verpflichtet.

BGH 14.11.2014, V ZR 118/13
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem eine Mehrhausanlage errichtet wurde. Die Eigentumswohnung der Kläger und die der Beklagten befinden sich in demselben Gebäude, wobei sich das Sondereigentum der Beklagten auf einen im zweiten Dachgeschoss gelegenen Abstellraum er-streckt. Ihr Wohnungseigentum erwarben die Parteien aufgrund notarieller Kaufverträge, die unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung mit dem mittlerweile insolventen Bauträger geschlossen worden waren. Der Kaufvertrag der Kläger wurde im Februar 2005, derjenige der Beklagten im November 2004 geschlossen. Die Wohnungsgrundbücher wurden im Dezember 2004 angelegt, die Gebäude vom Bauträger in den Jahren 2005 und 2006 errichtet.

Die von den Beklagten genutzten Räume entsprechen in ihrer räumlichen Ausdehnung zwar dem mit dem Bauträger geschlossenen Kaufvertrag, weichen aber von der Teilungserklärung i.V.m. den in Bezug genommenen Aufteilungsplänen ab. Insbesondere wurden entgegen den Plänen eine für das Treppenhaus vorgesehene Freifläche und eine Aufzugstür in die Wohnung der Beklagten integriert sowie im verbliebenen Treppenhaus eine Treppe "aufgedoppelt". Der Zugang zum Dachgeschossraum wurde nicht über die vorgesehene Auszugstreppe hergestellt, sondern an anderer Stelle über eine Spindeltreppe. Darüber hinaus wurde dieser Raum mit in den Plänen nicht vorgesehenen Fenstern sowie mit Heizkörpern und Heißwasserzuleitungen versehen.

Die Kläger verlangten die Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden Zustands sowie die Unterlassung der behaupteten Nutzung des Dachgeschossraums als Wohnraum. Das AG gab der Klage im Wesentlichen statt; lediglich hinsichtlich der "aufgedoppelten" Treppe wies es die Klage ab. Das LG wies die gesamte Klage ab. Die Revision der Kläger vor dem BGH blieb erfolglos.

Gründe:
Der gegen die Beklagten gerichtete "Rückbauanspruch" gem. § 1004 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG lag nicht vor.

Der Erwerber einer Eigentumswohnung, der mit dem teilenden Eigentümer eine von dem Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart, ist hinsichtlich der sich daraus ergebenden Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nicht Störer und daher gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern nicht zur Beseitigung des planwidrigen Zustands verpflichtet. Soweit planwidrige Baumaßnahmen vor dem Entstehen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt worden sein sollten, folgt dies schon daraus, dass es an der von § 1004 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Eigentumsbeeinträchtigung fehlt. Zu dem genannten Zeitpunkt stand es nämlich hier dem teilenden Bauträger als Alleineigentümer frei, mit der Sache auch bei der Bauausführung nach Belieben zu verfahren. Nach der Teilung änderte sich hieran bis zum Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft nichts. Die Rechtslage war nicht anders, als wenn ein Eigentümer ein ihm gehörendes Grundstück nach seinen Vorstellungen bebaut und dann Eigentum daran übertragen hätte.

Der Erwerber hat auch nach der Eigentumsumschreibung keinen Anspruch aus § 1004 BGB gegen den früheren Eigentümer auf Beseitigung von baulichen Maßnahmen, selbst, wenn diese für ihn von Nachteil sind und den vertraglichen Ansprüchen widersprechen. Das Eigentum des Erwerbers ist durch die baulichen Maßnahmen nicht i.S.d. § 1004 BGB beeinträchtigt, der frühere Eigentümer schon deshalb nicht Störer. Umso weniger kann ein anderer Erwerber, der mit dem teilenden Eigentümer eine von den ursprünglichen Plänen abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart hat und damit nur eine mittelbare Ursache für die Ausübung der dem Bauträger nach § 903 BGB zustehenden sachenrechtlichen Befugnisse setzt, als Handlungsstörer angesehen werden.

Soweit die planwidrige Bauausführung erst nach dem Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt oder fertiggestellt worden sein sollte, schied eine Inanspruchnahme der Beklagten auf Beseitigung des planwidrigen Zustandes ebenfalls aus. Denn diese waren auch insoweit nicht als Störer zu qualifizieren. Bei der Bestimmung der Störereigenschaft nach § 1004 Abs. 1 BGB geht es um die Zurechnung von Ursachen, die in Eigentumsbeeinträchtigungen einmünden, und damit letztlich um den Zuschnitt von Verantwortungsbereichen. Bei der danach gebotenen wertenden Betrachtung waren die Beklagten weder als mittelbare Handlungs- noch als Zustandsstörer anzusehen. Es fehlte an ausreichenden Sachgründen dafür, den Beklagten die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen.

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