29.07.2015

Prügelei im Krankenzimmer: Klinik muss Opfer die Adresse des Mitpatienten mitteilen

Will ein Patient von einem Krankenhaus die Adresse eines Mitpatienten erfahren, damit er gegen diesen einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen einer während des Krankenhausaufenthalts begangenen vorsätzlichen Körperverletzung geltend machen kann, so ist der Krankenhausträger grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet. Insoweit überwiegt (bei der hier im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V vorzunehmenden Interessenabwägung) regelmäßig das Auskunftsinteresse des Geschädigten das Datenschutzinteresse des Schädigers.

BGH 9.7.2015, III ZR 329/14
Der Sachverhalt:
Der minderjährige Kläger befand sich im November 2012 in der von der Beklagten betriebenen Fachklinik für Kinder und Jugendliche. Dort zog er sich einen Armbruch zu. Dieser war nach der Behauptung des Klägers auf eine körperliche Misshandlung seinen Zimmernachbarn zurückzuführen. Um seinen Schadensersatzanspruch gegen diesen durchsetzen zu können, sei er auf die Mitteilung der Anschrift durch die Beklagte angewiesen; sämtliche sonstigen Anstrengungen zur Ermittlung der Adresse seien fehlgeschlagen.

Die Beklagte verweigerte die begehrte Auskunft. Sie befürchtete im Fall der Bekanntgabe der Adresse strafrechtliche Konsequenzen, da es sich dabei um personenbezogene Daten handele, die der ärztlichen Schweigepflicht unterfielen und deren Offenlegung zudem datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegenstünden.

AG und LG gaben der auf Erteilung der begehrten Auskunft gerichteten Klage statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Es war nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB eine Auskunftspflicht der Beklagten anzunehmen. Diese besteht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Unklaren ist, er sich die zur Vorbereitung oder Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu geben vermag. Insofern liegt ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann vor, wenn nicht der in Anspruch Genommene selbst, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll.

Die Beklagte wird mit Erteilung der Auskunft auch nicht unbillig belastet, denn die Mitteilung der fraglichen Adresse ist ihr zumutbar. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger die ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte und es ihm gleichwohl nicht möglich war, die Anschrift des Mitpatienten zu ermitteln. Die Adresse ist für die Beklagte dagegen unproblematisch anhand der im Zusammenhang mit dem Abschluss des Behandlungsvertrags mit dem Mitpatienten erfassten Daten festzustellen. Der mit der Auskunftserteilung verbundene Arbeitsaufwand ist im Streitfall in Relation zu dem Auskunftsinteresse des Klägers zu vernachlässigen.

Die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung entfiel insbesondere nicht deswegen, weil einer Erteilung der begehrten Auskunft zwingende datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie die Strafvorschrift des § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) entgegenstünden. Zwar unterliegen im Krankenhaus erhobene Patientendaten unabhängig von der Art ihrer Verarbeitung (hier: nach § 32 Abs. 1 des Krankenhausgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern -LKHG M-V) dem Datenschutz. Dennoch überwiegt bei der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V vorzunehmenden Interessenabwägung regelmäßig das Auskunftsinteresse des Geschädigten das Datenschutzinteresse des Schädigers. Und ist die geforderte Mitteilung der Anschrift des Mitpatienten nach dieser Vorschrift erlaubt, scheidet eine Strafbarkeit der die Auskunft erteilenden Person nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 StGB aus.

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