10.02.2012

Scheinvater: Durchbrechung der Rechtsausübungssperre nur bei zuvor wirksam angefochtener Vaterschaft

Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gem. § 1600 b BGB geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht.

BGH 11.1.2012, XII ZR 194/09
Der Sachverhalt:
Nach der Heirat im Februar 1974 gebar die Ehefrau des Klägers im Juli einen Sohn, der in der Folgezeit in der Familie aufwuchs. Spätestens im September 2003 erfuhr der Kläger, dass der Sohn nicht von ihm, sondern von dem Beklagten abstammt. Im Zuge der Feststellungsklage des Klägers im Dezember 2003 stellte sich heraus, dass der Kläger als Vater des Kindes ausschied und die Vaterschaft des Beklagten als "praktisch erwiesen" galt.

In einer nachfolgenden Personenstandssache entschied das OLG im Mai 2006, dass die Eintragung eines entsprechenden Randvermerks im Geburtenbuch des Standesamts unterbleibt, weil der Streitgegenstand des rechtskräftigen Feststellungsurteils kein Statusverfahren betreffe. Eine Klage gegen die Mutter des Kindes auf Schadensersatz wurde im November 2006 rechtskräftig abgewiesen. In einem im Januar 2007 eingeleiteten und gegen den Sohn gerichteten Statusverfahren wies das AG die Klage wegen Versäumung der Anfechtungsfrist ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Im vorliegenden Rechtsstreit des Klägers gegen den Beklagten auf Ersatz geleisteten Kindesunterhalts sind die früheren Rechtsanwälte des Klägers nach Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten. Das AG wies die Klage ab; das OLG hob das Urteil auf und wies das Verfahren an das AG zurück. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz der an seinen Sohn geleisteten Unterhaltszahlungen zu.

Zwar kann die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, nunmehr im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird. Allerdings setzt diese Durchbrechung im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gem. § 1600 b BGB geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht.

Hat somit der rechtliche Vater seine Vaterschaft - wie hier - nicht im Statusverfahren nach § 1599 BGB angefochten, gilt seine Vaterschaft für und gegen alle, auch gegenüber einem mutmaßlichen Erzeuger, fort. Eine gerichtliche Entscheidung darf dieser Wirkung nicht widersprechen und zwar unabhängig davon, ob über die Vaterschaft unmittelbar oder lediglich als Vorfrage zu entscheiden wäre.

Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten ergab sich auch nicht aus bereicherungsrechtlichen Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Klägers hatte dieser seine Leistungen an das Kind nicht ohne Rechtsgrund, sondern auf der Grundlage seiner rechtlichen Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 1 BGB erbracht. Dem Kläger verbleibt allenfalls ein Regressanspruch gegen seine Streithelfer als frühere Prozessbevollmächtigte, weil es insoweit auf die Anfechtung der Ehelichkeit nicht ankam.

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