29.05.2012

Scheunenbrand: Keine Berücksichtigung gesetzlich vermuteten Verschuldens bei der Prüfung eines Mitverschuldens

Ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird (hier: § 832 BGB), darf bei der Prüfung eines Mitverschuldens gem. § 254 Abs. 1 BGB nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich müssen Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren nur dann in dieser Weise auf den Besitz von Streichhölzern oder Feuerzeugen kontrolliert werden, wenn dazu ein besonderer Anlass besteht, wenn etwa beim Kind schon einmal Streichhölzer gefunden wurde oder das Kind eine besondere Neigung zum Zündeln hat.

BGH 20.3.2012, VI ZR 3/11
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist der Sohn des Ehemanns der Klägerin aus dessen geschiedener Ehe. Der Sprössling hatte im April 2003 während eines Aufenthalts auf dem Bauernhof der Klägerin nach dem Mittagessen unbeaufsichtigt mit deren Sohn aus erster Ehe in einer Halle, die sich im Miteigentum der Klägerin und ihres Ehemanns befand, gespielt. Die Lager- und Scheunenhalle, in der Stroh eingelagert war und sich Pferdeboxen befanden, geriet daraufhin in Brand und wurde vollständig zerstört. Der Beklagte war zur Tatzeit knapp zehn Jahre alt. Der Sohn der Klägerin zweieinhalb Jahre jünger.

Nachdem die Klage gegen die Mutter des Beklagten rechtskräftig abgewiesen worden war, verlangte die Klägerin von dem Beklagten rund 736.930 € Schadensersatz. LG und OLG gaben der Klage statt. Auch die Revision des Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht der Revision musste die Klägerin sich auf den Schadensersatzanspruch nicht gem. § 254 Abs. 1 BGB eine eigene Aufsichtspflichtverletzung oder eine solche ihres Ehemanns als Mitverschulden anrechnen lassen.

Zwar soll eine Verschuldensvermutung nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung auch im Rahmen des § 254 BGB Anwendung finden. Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung können bei der Schadensabwägung nach § 254 BGB indes nur solche Umstände verwertet werden, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind. Ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird, darf daher nicht berücksichtigt werden. Wird ein Verschulden nur vermutet, so fehlt jeder Anhalt für das Maß dieses Verschuldens, das von der leichtesten Fahrlässigkeit bis zur gröbsten Sorgfaltspflichtverletzung reichen kann. Infolgedessen sind Verschuldensvermutungen nur für den Haftungsgrund relevant, und daran wird festgehalten.

Das Berufungsgericht hatte das Beweisergebnis auch ausgeschöpft. Für die Haftung nach § 832 BGB kommt es stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt wurde. Danach sind zwar sowohl hinsichtlich der Belehrung über die Gefahren des Feuers als auch der Überwachung eines möglichen Umgangs mit Zündmitteln strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt insbesondere in ländlichen Gebieten - wie hier. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass Eltern ihre sieben bis acht Jahre alten Kinder eindringlich über die Gefährlichkeit des Spiels mit dem Feuer belehren und darauf achten müssen, dass diese nicht unerlaubt in den Besitz von Zündmitteln gelangen. Hierzu gehört auch, die Kinder davor zu warnen, anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgendeiner Weise zu helfen oder sie dazu anzustiften.

Eine tägliche Kontrolle der Taschen des Kindes ist von den Aufsichtspflichtigen allerdings im Regelfall nicht zu verlangen. Grundsätzlich müssen Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren nur dann in dieser Weise auf den Besitz von Streichhölzern oder Feuerzeugen kontrolliert werden, wenn dazu ein besonderer Anlass besteht, wenn etwa beim Kind schon einmal Streichhölzer gefunden wurde oder das Kind eine besondere Neigung zum Zündeln hat. All dies lag hier jedoch nicht vor. Auch, wenn es in der Vergangenheit zu einem ein- oder zweimaligen Spielen der Kinder mit brennenden Kerzen gekommen sein sollte, bei dem diese mit den Fingern an das weiche Kerzenwachs gefasst hatten, musste das Berufungsgericht daraus nicht bereits eine besondere Zündelneigung ableiten.

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