Sittenwidrig überhöhter Kaufpreis beim Kauf eines Sportpferdes
OLG Frankfurt a.M. 26.1.2018, 13 U 214/15Der Beklagte war früher Springreiter und unterhält einen Reitstall mit Reithalle sowie einer Außenspringanlage, wobei er bis zu sechs Pferde gleichzeitig hält. Außerdem handelt er mit Pferdetransportern. Ob er auch gewerbsmäßig mit Pferden handelt, ist zwischen den Parteien streitig. Im Jahr 2013 hatte der Beklagte dem Kläger ein zu diesem Zeitpunkt sechsjähriges Reitpferd für einen Kaufpreis von 60.000 € verkauft. Der Kläger zahlte dem Beklagten zunächst 40.000 €. Das Pferd verblieb vereinbarungsgemäß im Stall des Beklagten und wurde dort zunächst von der Tochter des Klägers geritten.
Nach tierärztlichen Untersuchungen noch im gleichen Monat wurde röntgenologisch an den Hinterbeinen des Pferdes jeweils einen Chip, also einen freien Gelenkskörper, sowie geringe Sehenscheidengallen an allen vier Beinen und eine geringe Mauke an beiden Vorderbeinen feststellt, das Pferd aber insgesamt als sporttauglich beurteilt. Daraufhin forderte der Kläger den Beklagten zur Rückzahlung der Anzahlung i.H.v. 40.000 € auf, weil der vereinbarte Kaufpreis völlig überzogen sei und das Pferd einen Sachmangel aufweise. Im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Der Beklagte behauptete, der Kauf des Pferdes sei unter Ausschluss der Gewährleistung erfolgt. Widerklagend forderte er vom Kläger die restlichen 20.000 €.
Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der angezahlten 40.000 € gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, denn der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Pferd ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Dabei ist ein sog. wucherähnliches Geschäft i.S.d. vorgenannten Vorschrift anzunehmen, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten als weiteres, subjektives Element festgestellt werden kann. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann allein dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes rechtfertigen. Das besonders grobe Äquivalenzmissverhältnis begründet insofern eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB. Sie greift nur dann nicht ein, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist. Diese Grundsätze gelten auch beim Kauf eines Sportpferdes (BGH-Urt. v. 18.12.2002, Az.: VIII ZR 123/02).
Im vorliegenden Fall liegt ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Die Rechtsprechung nimmt regelmäßig ein besonders grobes Missverhältnis an, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Hier war ein Kaufpreis von 60.000 € vereinbart worden, obwohl der Verkehrswert des Pferdes zu diesem Zeitpunkt lediglich 8.800,00 € betragen hatte. Der Kaufpreis war damit rund siebenmal so hoch wie der Verkehrswert des Pferdes. Dass sich der Verkehrswert zum maßgeblichen Zeitpunkt auf 8.800 € belief, ergab sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Sachverständigen. Ausreichend ist insofern bereits regelmäßig der Vortrag, der Vertragsgegenstand habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen bestimmten Verkehrswert gehabt, der weniger als die Hälfte des Kaufpreises betrage, es sei denn, es handelt sich erkennbar um eine Behauptung ins Blaue hinein. Das war hier nicht der Fall. Die Verkehrswertermittlung des Sachverständigen war in jeder Hinsicht überzeugend.
Das vorliegende besonders grobe Äquivalenzmissverhältnis begründete im Streitfall eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten als subjektives Merkmal des § 138 Abs. 1 BGB. Diese Vermutung greift auch gegenüber dem Kläger ein, der selbständig freiberuflich tätig ist. Übt jemand eine selbständige freiberufliche Tätigkeit aus, so bleibt es nur dann bei der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts beruft, die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit darlegen und notfalls beweisen muss, wenn die selbständige freiberufliche Tätigkeit als solche gegen eine wirtschaftliche Schwäche oder Geschäftsunerfahrenheit spricht. Es waren auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die gegenteilige Annahme rechtfertigen konnten, insbesondere hat der Kläger vor dem streitgegenständlichen Kauf erst einmal ein Pferd gekauft. Insgesamt war es daher angemessen, die Vermutung zugunsten des Klägers eingreifen zu lassen.
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