12.10.2015

Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell: Die Wohnung nur eines der Elternteile kann Hauptwohnung des Kindes sein

Auch wenn getrennt lebende Eltern das Sorgerecht für ein minderjähriges Kind im paritätischen Wechselmodell ausüben, ist die Wohnung nur eines der Elternteile die Hauptwohnung des Kindes im melderechtlichen Sinne. Es obliegt den sorgeberechtigten Eltern, gemeinsam eine ihrer Wohnungen als Hauptwohnung des Kindes zu bestimmen. Können sie sich nicht einigen, ist Hauptwohnung die Wohnung desjenigen Elternteils, dessen Wohnung bislang Hauptwohnung oder alleinige Wohnung des Minderjährigen war.

BVerwG 30.9.2015, 6 C 38.14
Der Sachverhalt:
Der Kläger und seine beigeladene Ehefrau leben seit Januar 2011 getrennt. Für die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder üben beide das Sorgerecht gemeinsam aus. Gegenüber dem VG gaben beide übereinstimmend an, das Wechselmodell zu praktizieren: Die Kinder halten sich demzufolge zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen auf. Das bedeutet, dass sie an zwei Tagen der Woche bei der beigeladenen Mutter wohnen, an zwei Tagen bei dem Kläger und an den Wochenenden, also von Freitag bis Sonntag, abwechselnd bei einem der Elternteile.

Beide Elternteile nehmen Aufgaben im Zusammenhang mit der Betreuung und Erziehung der Kinder zu etwa gleichen Teilen oder gemeinsam wahr, insbesondere die Betreuung im Krankheitsfall, Begleitung bei Arztbesuchen, Freizeitgestaltung, Teilnahme an Elternabenden, Ausstattung mit Kleidung und Reinigung der Wäsche, Festlegung und Auszahlung des Taschengeldes.

Nachdem der Kläger aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung in eine andere Wohnung in der beklagten Stadt verzogen war, meldete er beim dortigen Meldeamt seine neue Wohnung zunächst für die beiden Kinder als deren Nebenwohnung an. Später beantragte er, das Melderegister dahin zu berichtigen, dass seine beiden Kinder auch in seiner Wohnung eine Hauptwohnung und nicht nur eine Nebenwohnung innehätten. Die beklagte Stadt lehnte die Berichtigung des Melderegisters ab, weil nach dem Melderecht ein Einwohner nur eine Hauptwohnung haben könne.

VG und VGH wiesen die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Melderegister kann nicht im Sinne des Klägers berichtigt werden, da der geltend gemachte Anspruch auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet ist.

Nach den einschlägigen Bestimmungen des Melderechts ist die begehrte gleichzeitige Eintragung mehrerer Hauptwohnungen in das Melderegister ebenso unzulässig wie die Eintragung mehrerer Wohnungen, ohne dass deren Status als Haupt- oder Nebenwohnung bestimmt ist. Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen, kann nur eine einzige dieser Wohnungen Hauptwohnung sein; jede weitere Wohnung ist Nebenwohnung. Hauptwohnung ist die überwiegend benutze Wohnung, bei Minderjährigen die Wohnung der Personensorgeberechtigten und, wenn diese getrennt leben, die Wohnung des Sorgeberechtigten, welche der Minderjährige überwiegend nutzt. In Zweifelsfällen ist die überwiegend genutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt.

Die Unterscheidung von Haupt- und Nebenwohnung nach diesen objektiven Kriterien dient dazu, einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zahlreicher Behörden sowie für Rechte und Pflichten festzulegen, welche an die Wohnung einer Person gebunden sind. Die gebotene Unterscheidung zwischen Hauptwohnung und Nebenwohnung ist für den Vollzug des Meldegesetzes auch dann möglich, wenn die getrennt lebenden Eltern eines minderjährigen Kindes das Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell ausüben.

Zwar lässt sich dann regelmäßig nicht feststellen, welche Wohnung das minderjährige Kind überwiegend nutzt und wo der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liegt. In diesem Fall obliegt es den sorgeberechtigten Eltern, gemeinsam eine ihrer Wohnungen als Hauptwohnung des Kindes zu bestimmen. Können sie sich nicht einigen, ist Hauptwohnung die Wohnung desjenigen Elternteils, dessen Wohnung bislang Hauptwohnung oder alleinige Wohnung des Minderjährigen war. Die Wohnung des anderen Elternteils ist als weitere Wohnung Nebenwohnung.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG  finden Sie die Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 78 vom 30.9.2015
Zurück