11.04.2016

Stärkung des Mieterschutzes bei Eigenbedarfskündigung von Wohnungseigentum

In Berlin ist die Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung von Wohnraum, an dem nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und veräußert wurde, bis zum Ablauf einer 10-jährigen Kündigungssperrfrist ausgeschlossen. Der Kündigungsausschluss bei Wohnungsumwandlungen betrifft zumindest alle seit Oktober 2013 erklärten Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen, auch wenn der Erwerb und die Veräußerung des Wohnungseigentums noch vor dem 1.10.2013 erfolgt sein sollten.

LG Berlin 17.3.2016, 67 O 30/16
Der Sachverhalt:
Der klagende Vermieter erwarb im Jahr 2009 eine Eigentumswohnung im Hansaviertel in Berlin, nachdem das Mietwohnhaus zuvor in Wohnungseigentum umgewandelt worden war. Die Wohnung war bereits seit 1979 an den Beklagten vermietet. Im April 2014 sprach der Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs aus. Allerdings war der Beklagte damit nicht einverstanden.

Das AG wies die daraufhin erhobene Räumungsklage gegen den Mieter ab. Das LG hielt die Berufung gegen dieses Urteil für offensichtlich unbegründet, woraufhin der Kläger die Berufung zurücknahm.

Die Gründe:
Die Kläger konnten sich bei Ausspruch und Zugang der Kündigung gem. § 577a Abs. 1 u. 2 BGB nicht auf ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen, da an der streitgegenständlichen Wohnung nach ihrer Überlassung an die Beklagte Wohnungseigentum begründet und dieses erstmals im Jahr 2009 veräußert wurde.

Zwar beschränkt § 577a Abs. 1 BGB die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters lediglich auf einen Zeitraum von drei Jahren seit der Veräußerung, die hier bei Ausspruch der Kündigung bereits abgelaufen waren. Allerdings beträgt die Frist des § 577a Abs. 1 BGB gem. § 577a Abs. 2 BGB bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach S. 2 bestimmt sind. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist nicht nur derzeit, sondern war bereits zum Zeitpunkt der Kündigung in der gesamten Gebietskulisse von Berlin besonders gefährdet.

Die Berliner Kündigungsschutzklausel-VO erfasst auch zum Zeitpunkt ihres Inkraftretens bereits bestehende Mietverhältnisse, selbst wenn der Vermieter den Wohnraum - wie hier - bereits vor ihrem Inkraftreten erworben hat. Die Verordnung ist verfassungsgemäß, insbesondere verstößt sie wegen der überragenden Bedeutung des Mieterschutzes für das allgemeine Wohl nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

Zwar vertraut ein Vermieter bei Erwerb von Wohnungseigentum darauf, dass er nur nach Maßgabe der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vorschriften in seinen rechtlichen Möglichkeiten, über die Wohnung zu verfügen, beschränkt wird. Diese Erwartungshaltung muss jedoch im Hinblick auf das Ziel, die Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu versorgen, zurücktreten. Außerdem musste der Vermieter damit rechnen, dass der Senat von Berlin den bereits seit 2004 geltenden Kündigungsschutz (sieben Jahre in einigen Bezirken von Berlin) zeitlich und räumlich erweitern könnte.

Linkhinweis:

LG Berlin PM vom 8.4.2016
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