23.05.2011

Strandspaziergänger müssen nicht ständig vor Strandseglern auf der Hut sein

Strandspaziergänger, die einen Strand im Rahmen des Gemeingebrauchs nutzen, müssen nicht ständig auf der Hut vor Strandseglern sein. Eine Gemeinde darf sich nicht darauf verlassen, dass der örtliche Yachtclub, der eine Regatta veranstaltet, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen selbst trifft, sondern muss dies überwachen und kontrollieren.

OLG Schleswig-Holstein 23.2.2011, 7 U 106/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Jahr 2004 ihre Pfingstferien in St. Peter-Ording verbracht. Sie ging am Freitag vor dem Pfingstwochenende am Strand von St. Peter-Ording spazieren. Der örtliche Yachtclub veranstaltete an diesem Wochenende seine alljährlich stattfindende Strandsegelregatta. Dazu waren auch auswärtige und nicht dem Yachtclub angehörende Strandsegler angereist.

Einer der auswärtigen Strandsegler unternahm an diesem Freitag eine Erkundungsfahrt und erfasste dabei mit seinem Wagen die Klägerin. Diese erlitt an beiden Beinen offene Unterschenkelbrüche. Nur durch mehrfache Operationen konnten die Beine gerettet werden. Bei der Geschädigten verbleiben eine lebenslange Gehbehinderung und entstellende Narben. Sie ist allerdings in ihrem Beruf als Richterin wieder voll berufstätig.

LG und OLG gaben der Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage der Klägerin gegen den beklagten Fahrer des Strandsegelwagens, die beklagte Gemeinde St. Peter-Ording und den beklagten Yachtclub statt.

Die Gründe:
Die Beklagten müssen der Klägerin neben dem Ausgleich von Vermögensschäden auch ein Schmerzensgeld i.H.v. 70.000 € zahlen.

Ein technisches Versagen konnte aufgrund des Sachverständigengutachtens ausgeschlossen werden. Die Klägerin traf auch kein Mitverschulden an dem Unfall. Denn kein Strandspaziergänger, der den Strand im Rahmen des Gemeingebrauchs nutzt, muss ständig auf der Hut vor Strandseglern sein. Es ist vielmehr umgekehrt Sache der sondernutzenden Strandsegler, erhöhte Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen. Letztlich vermochte auch die Tatsache, dass im räumlichen Bereich der Unfallstelle ein vereinzeltes Hinweisschild vorhanden war, dem nach seiner äußeren Gestaltung und Größe eine allenfalls beschränkte, zudem noch unklare Warnfunktion zukam, ein Mitverschulden nicht zu begründen.

Eine Haftung der Gemeinde und des Yachtclubs zusammen mit dem Strandsegler kam in Betracht, weil sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hatten. Der örtliche Yachtclub, dem die Gemeinde aufgrund eines Vertrags das Strandsegeln nur für die Mitglieder des Clubs erlaubt hatte, wäre verpflichtet gewesen, bereits am Vortag die Regattastrecke zum Schutz der übrigen Strandnutzer zu sichern. Dem Yachtclub war durchaus bekannt, dass gerade die auswärtigen Strandsegler sog. Erkundungsfahrten unternehmen würden. Die Gemeinde wiederum hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Yachtclub die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen selbst treffen würde. Die Gemeinde hätte dies vielmehr überwachen und kontrollieren müssen.

60.000 € waren als Schmerzensgeld durchaus angemessen. Dieser Betrag war um weitere 10.000 € zu erhöhen, weil die Beklagten sich bis zuletzt in nicht nachvollziehbarer hartnäckiger Weise verweigerten. Bis zur Entscheidung durch das OLG hatten sie der Klägerin nicht einmal einen kleinen Schmerzensgeldsabschlag gezahlt.

OLG Schleswig-Holstein PM v. 20.5.2011
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