27.08.2015

Streitigkeiten mit Nießbrauchern fallen nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG

Streitigkeiten mit Nießbrauchern oder sonstigen Fremdnutzern fallen nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG. Die Regelungen des § 14 Nr. 3 u. 4 WEG rechtfertigen kein Vorgehen gegen Fremdnutzer.

BGH 10.7.2015, V ZR 194/14
Der Sachverhalt:
Die Beklagten bewohnen als Nießbraucher eine Eigentumswohnung, die zu einer Wohnungseigentumsanlage gehört. Auf einer im April 2013 durchgeführten Eigentümerversammlung wurde zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 2 u.a. die Sanierung von Terrassen und Balkonen beschlossen.

Darüber hinaus wurde die Verwalterin der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft mit Beschluss zu TOP 5 ermächtigt, gerichtliche Schritte gegen "Eigentümer" einzuleiten, die die Durchführung baulicher Maßnahmen behindern oder den Zugang zu den zu sanierenden Stellen verweigern sollten, sowie bevollmächtigt, zu diesem Zweck einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Die Beklagten verweigerten das Betreten der von ihnen bewohnten Einheit zum Zwecke der Sanierung und sprachen gegen die beauftragten Firmen und den Architekten ein Hausverbot aus. Gestützt auf eine entsprechende Anwendung von § 14 Nr. 4 WEG möchte die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Duldung näher bezeichneter Sanierungsarbeiten und zur Gestattung des Zutritts zur Wohnung erreichen.

Das AG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten verwarf das für die in § 72 Abs. 2 GVG genannten Wohnungseigentumssachen zuständige LG durch Urteil als unzulässig. Auf die Revision der Beklagten änderte der BGH das Berufungsurteil ab und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Klagen gegen Fremdnutzer von Wohnungseigentum fallen nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG. Diese stehen als Dritte weder zur Wohnungseigentümergemeinschaft noch zu den Wohnungseigentümern in einer Rechtsbeziehung, die den notwendigen gemeinschaftsbezogenen Gehalt aufweist.

Für die Annahme einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG genügt es nicht, dass der Fremdnutzer "statt des Wohnungseigentümers" in Anspruch genommen wird. Das gilt umso mehr, als ein Vorgehen gegen den Wohnungseigentümer zumindest nach § 14 Nr. 2 WEG möglich bleibt und Prozesse, an denen Dritte beteiligt sind, nach der gesetzlichen Systematik nur unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen von § 43 Nr. 5 WEG als Wohnungseigentumssache zu qualifizieren sind, aber selbst dann nicht die besondere - nur in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG eröffnete - Berufungszuständigkeit gem. § 72 Abs. 2 S. 1 GVG gegeben ist.

Eine hiervon abweichende rechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Nießbraucher teilweise in die dingliche Rechtsstellung einrückt, die sonst allein dem Wohnungseigentümer zukommt. Denn damit geht kein Eintritt in die verbandsrechtliche Rechtstellung des Wohnungseigentümers einher, die eine notwendige Voraussetzung für den nach § 43 Nr. 1 u. 2 WEG erforderlichen Gemeinschaftsbezug bildet. Folgerichtig steht dem Nießbraucher weder ein Stimmrecht in der Versammlung der Wohnungseigentümer noch die Befugnis zur Anfechtung gefasster Beschlüsse zu.

Die bei dieser Sachlage grundsätzlich von dem Senat auszusprechende Verweisung an das zuständige Berufungsgericht schied vorliegend aus, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt, nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif und der Senat nach der Geschäftsverteilung des BGH auch für allgemeine zivilprozessuale Streitigkeiten der vorliegenden Art das zuständige Revisionsgericht ist. Die Berufung ist begründet. Der Klage bleibt der Erfolg versagt.

Die Regelungen des § 14 Nr. 3 u. 4 WEG rechtfertigen kein Vorgehen gegen Fremdnutzer. Die für einen Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur Wohnungseigentümer passivlegitimiert sind, beruht auf keinem Versehen des Gesetzgebers (vgl. BR-Drucks. 75/51, S. 17: "§ 14 umschreibt die aus der Gemeinschaft erwachsenen Pflichten der Wohnungseigentümer").

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück