18.08.2011

Stufenweise Abschaffung des Sterbegeldes war verfassungsmäßig

Der Wegfall des Sterbegeldes hatte eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung zur Folge. Die alte Satzung der VBL enthielt einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, weshalb die Inhaber der Anwartschaften mit einer Neuregelung rechnen mussten und diese berücksichtigen konnten.

BVerfG 20.7.2011, 1 BvR 2624/05
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) - einer Zusatzversorgungseinrichtung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes - pflichtversichert. Seit 1999 bezieht er von ihr betriebliche Altersversorgung.

Mit der Neufassung ihrer Satzung vom 22.11.2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem um. Im Zuge dessen wurde das Sterbegeld ab dem Jahr 2002 stufenweise bis zu dessen gänzlichem Wegfall im Jahr 2008 abgebaut. Der Beschwerdeführer sah sich durch den stufenweisen Wegfall des Sterbegeldes in seinem Eigentumsrecht und seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit verletzt. Er war der Ansicht, es liege eine unverhältnismäßige, echte Rückwirkung vor. Als Rentner habe man seine Arbeitsleistung bereits vollständig erbracht und auf das über Jahrzehnte unverändert gebliebene Sterbegeld vertraut. Der Wegfall des Sterbegeldes ließe sich dann nicht mehr durch eigene Vorsorge auffangen.

Die gegen die VBL gerichtete Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung, dass diese weiterhin zur Sterbegeldzahlung nach der alten Satzung verpflichtet ist, hatte in allen Instanzen keinen Erfolg. Auch seine Verfassungsbeschwerde blieb vor dem BVerfG erfolglos.

Die Gründe:
Der stufenweise Wegfall des Anspruchs auf Sterbegeld verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

Der Wegfall des Sterbegeldes hatte eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung zur Folge. Denn es werden Sterbegeldansprüche für die Zukunft genommen, die zwar an eine Versicherungszeit und damit an eine Beitragszahlung sowie einen daraus resultierenden Versorgungsrentenbezug anknüpfen, jedoch erst mit Eintritt des Todesfalls entstehen.

Die unechte Rückwirkung war hier auch nicht ausnahmsweise unzulässig. Zwar war ein Vertrauen in die jahrzehntelange Tradition des Sterbegeldanspruchs durchaus berechtigt. Doch enthielt die alte Satzung der VBL einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, weshalb die Inhaber der Anwartschaften mit einer Neuregelung rechnen mussten und diese berücksichtigen konnten. Zudem ist in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt. Das Vertrauen auf den Fortbestand von Sterbegeldanwartschaften war deswegen aber nicht schutzwürdiger als das mit der Regelung des stufenweisen Wegfalls verfolgte Anliegen. Denn die Neuregelung diente der finanziellen Konsolidierung der VBL und damit der Zukunftssicherung der Altersversorgung für den öffentlichen Dienst.

Letztlich überwogen die Bestandsinteressen an den Sterbegeldanwartschaften auch nicht die Veränderungsgründe des Satzungsgebers. Denn es war aufgrund der Übergangszeit von sechs Jahren zumutbar, sich auf den Wegfall des Sterbegeldes einzustellen. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der Verfassung führte zu keinem anderen Ergebnis. Aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK ergaben sich hier keine Anforderungen, die weiterreichten als diejenigen, die nach dem Grundgesetz an eine Rückwirkung zu stellen waren.

Hintergrund:
Die VBL ist eine Zusatzversorgungseinrichtung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und hat die Aufgabe, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der an ihr beteiligten Arbeitgeber im Wege privatrechtlicher Versicherung eine Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Bis Ende 2001 stand nach der alten Satzung der VBL Angehörigen beim Tod von Versorgungsrentenberechtigten ein Anspruch auf Sterbegeld zu. Einen Sterbegeldanspruch hatten auch Versorgungsrentenberechtigte beim Versterben ihrer Ehegatten und Angehörige bei Versterben von verwitweten Versorgungsrentenberechtigten.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 53 vom 18.8.2011
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