06.06.2013

Sturz über schlafenden Hund begründet Tierhalterhaftung

Bildet ein Tier ein gefährliches Verkehrshindernis, weil es sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr in den Verkehrsraum begeben hat und dort ruht, haftet der Tierhalter, wenn ein Dritter über das Tier stolpert und sich dabei verletzt. In diesem Fall beruht der Schaden nämlich auf der Unberechenbarkeit und Selbstständigkeit tierischen Verhaltens sowie der dadurch hervorgerufenen Gefährdung.

OLG Hamm 15.2.2013, 19 U 96/12
Der Sachverhalt:
Die 61-jährige Klägerin hatte im August 2009 in einem Reitsportgeschäft eingekauft, in dem die Beklagte als Verkäuferin beschäftigt war. Beim Verlassen des Geschäfts stürzte die Klägerin über die im Eingangsbereich liegende Schäferhündin der Beklagten. Die Beklagte nahm ihre Hündin mit Zustimmung des Geschäftsinhabers regelmäßig ins Ladengeschäft mit. Am Unfalltag hatte sich die Hündin eigenmächtig in den ca. 1,5 m von der Kasse entfernten Eingangsbereich gelegt und ruhte dort so, dass sie den Zugang zum Geschäft fast vollständig versperrte. Sie war von der Klägerin, hinter deren Rücken sie lag, übersehen worden, als diese sich nach dem Bezahlen zum Ausgang drehte.

Durch den Sturz zog sich die Klägerin eine schwere Knieverletzung zu, für die sie von der Beklagten Schadensersatz verlangte, u.a. ein Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 €. Die Beklagte war der Ansicht, dass keine Tierhalterhaftung eingreife und die Klägerin den Sturz aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit selbst verschuldet habe.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG die Entscheidung der Vorinstanz auf und gab der Klage weitestgehend statt.

Die Gründe:
Die Beklagte traf als Halterin des Schäferhundes bereits die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach den §§ 833 S. 1, 249 I, 253 Abs. 2 BGB (Tierhalterhaftung). Somit ist sie dem Grunde nach zum umfassenden Schadensersatz verpflichtet.

Mit dem Sturz der Klägerin hatte sich eine einem Tier typischerweise anhaftende Gefahr verwirklicht, die auf der Unberechenbarkeit und Selbstständigkeit tierischen Verhaltens beruht. Die Schäferhündin war ein gefährliches Hindernis gewesen, weil sie sich ohne Rücksicht auf das Publikum in den Geschäftszugang begeben und dort geruht hatte. Ein solch unbekümmertes Verhalten entspricht durchaus der tierischen Natur. Infolgedessen war die Tierhalterhaftung begründet.

Es war insbesondere nicht darauf abzustellen, dass die Hündin schlafend und damit regungslos auf dem Boden gelegen hatte, als die Klägerin über sie stürzte. Ein Mitverschulden der Klägerin war nicht zu berücksichtigen, weil die Hündin für die Klägerin schwer wahrnehmbar gewesen war. Demgegenüber hat die Beklagte den Unfall fahrlässig verschuldet, weil sie die Klägerin weder gewarnt noch den Hund aus dem Eingangsbereich weggeschafft hatte, obwohl sie mit ihm dort an seinem Lieblingsplatz rechnen konnte.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM v. 5.6.2013
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