07.09.2017

Tatsächliche Verständigung kein anfechtbarer Verwaltungsakt

Die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung werden im Verfahren über die Anfechtung des hierauf gestützten Festsetzungs- oder Feststellungsbescheids inzident geprüft. Eine tatsächliche Verständigung stellt keinen Verwaltungsakt i.S. der §§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO, 118 Satz 1 AO dar.

Kurzbesprechung
BFH - Beschluss v. 12.6.2017 - III B 144/16

AO § 118
FGO § 41 Abs. 2

Im Streitfall legte der Steuerpflichtige Einspruch gegen eine mit dem FA getroffene tatsächliche Verständigung ein, den er damit begründete, dass ihm von den Finanzbeamten eine Steuernachzahlung von 1 Mio. €, eine Vernichtung seiner Existenz und eine Haftstrafe angedroht und er zur Unterschrift erpresst worden sei. Das FA verwarf den Einspruch mangels Verwaltungsaktsqualität der tatsächlichen Verständigung als unzulässig.

Mit der dagegen gerichteten Klage machte der Steuerpflichtige geltend, die tatsächliche Verständigung sei infolge seiner Anfechtung (§ 123 BGB) unwirksam. Zudem komme sie zu einem objektiv völlig unzutreffenden Ergebnis. Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es hielt sowohl den auf Feststellung der Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung gerichteten Hauptantrag als auch den Hilfsantrag, der auf eine Verpflichtung gerichtet war, die angefochtenen Bescheide dahingehend zu ändern, dass der Besteuerung nicht die tatsächliche Verständigung zugrunde gelegt werde, für unzulässig und ließ die Revision nicht zu.

Auch der BFH entschied, dass eine tatsächliche Verständigung kein Verwaltungsakt im Sinne von § 118 Satz 1 AO ist, da sie ihre Verbindlichkeit nicht aus einer einseitigen Verpflichtungsbefugnis der Behörde schöpft. Vielmehr erwächst die Bindungswirkung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der es gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren (nachhaltigen) Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat. Mangels einseitigem Setzen einer verbindlichen Rechtsfolge enthalten tatsächliche Verständigungen auch keine Regelung i.S. des § 118 AO.

Beraterhinweis: In einem derartigen Fall muss der Steuerpflichtige daher die Steuer - oder Feststellungsbescheide anfechten, die aufgrund der getroffenen tatsächlichen Verständigung ergangen sind und kann in diesem Zusammenhang eine möglicherweise vorliegende Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung geltend machen.

BFH, Urteil vom 12.6.2017, III B 144/16, veröffentlicht am 6.9.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt