05.01.2012

Unfallversicherer tragen die volle Beweislast für die Mitwirkung von Vorerkrankungen am Versicherungsfall

Unfallversicherer müssen den Vollbeweis i.S.v. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO dafür erbringen, dass Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen (hier dem Tod des Versicherungsnehmers) mindestens zu 25% mitgewirkt haben. Für diesen Beweis muss ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erreicht werden, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

BGH 23.11.2011, IV ZR 70/11
Der Sachverhalt:
Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte bei der Beklagten eine Unfallzusatzversicherung i.V.m. einer Risikolebensversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag lagen die BB-UZV zugrunde. Diese bestimmen in § 4:

"Haben zur Herbeiführung des Todes bzw. der Erwerbsunfähigkeit neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen zu mindestens 25 % mitgewirkt, so vermindert sich unsere Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung."

Im Januar 2004 führte der Ehemann in einem Betrieb Elektroarbeiten aus. Er zog ein Kabel aus einem Schaltschrank und geriet an mindestens eine Phase. Dabei erlitt er einen Stromschlag, der zu einer Gesundheitsbeschädigung in Form einer Herzrhythmusstörung führte, die den späteren Tod des Versicherungsnehmers zumindest mitverursachte.

Die Klägerin begehrte als Bezugsberechtigte von der beklagten Versicherung die Todesfallleistung. Diese lehnte allerdings ab, weil der Tod des Ehemannes der Klägerin nicht auf einen Unfall, sondern auf die bestehende schwere Herzkrankheit zurückzuführen sei.

Das LG verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Todesfallleistung i.H.v. 231.183 €; das OLG halbierte die Summe. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte das Beweismaß für das Leistungskürzungsrecht des Unfallversicherers bei der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen verkannt. Im weiteren Verfahren muss geprüft werden, ob die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis erbringen kann, dass die Vorerkrankung des Ehemannes der Klägerin zu mindestens 25% an seinem Tod mitgewirkt hat.

Zwar war das OLG im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei dem Unfallversicherer liegt. Entgegen seiner Ansicht hält die h.M. in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO für ausreichend, um einen Mitwirkungsanteil von mindestens 25% nachzuweisen. Vielmehr wird allgemein sowohl für die Prüfung, ob überhaupt unfallabhängige Faktoren mitgewirkt haben, als auch für die Frage, ob der Mitwirkungsanteil mindestens 25% beträgt, das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO angewandt.

Bleibt hingegen unklar, ob der Anteil der Mitwirkung 25% oder mehr beträgt, so kommt eine Leistungskürzung nicht in Betracht. Erst wenn dieser Nachweis erbracht ist, obliegt es der freien tatrichterlichen Würdigung, die Höhe des anzurechnenden Mitwirkungsanteils gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO zu schätzen. Die Mitursächlichkeit von Vorerkrankungen betrifft nämlich eine Leistungseinschränkung, für die grundsätzlich der Versicherer die volle Beweislast trägt. Für diesen Beweis genügt nicht eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Vielmehr muss ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erreicht werden, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

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