22.04.2014

Unterbringung in Hundepension: Kein Ausschluss der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr

Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr kommt auch dann regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Geschädigte einen Hund für mehrere Tage in seiner Hundepension aufgenommen und für diese Zeit die Beaufsichtigung des Tieres übernommen hat. Ein für die Verletzung mitursächliches Fehlverhalten des Geschädigten ist unter Umständen nach § 254 BGB anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

BGH 25.3.2014, VI ZR 372/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt gewerblich eine Hundepension. Der Beklagte ist Hundehalter. Er übergab der Klägerin am 15.9.2011 seine Hündin, eine Border-Collie-Mischlingshündin, zur zehntägigen entgeltlichen Betreuung. Die Klägerin macht geltend, der Hund habe sie am 17.9.2011 in die Ober- und Unterlippe gebissen, als sie ihn nach einem Spaziergang habe ableinen wollen. Sie begehrt im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.

AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die den Beklagten als Halter seines Hundes grundsätzlich treffende Tierhalterhaftung kann im Streitfall nicht mit der Begründung verneint werden, sie sei wegen freiwilliger Risikoübernahme durch die Klägerin mit dem Schutzzweck des § 833 S. 1 BGB nicht vereinbar.

Der Tierhalterhaftung des Beklagten steht nicht entgegen, dass die Klägerin seinen Hund für zehn Tage in ihrer Hundepension zur Beaufsichtigung aufnahm. Die Haftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB greift nach herrschender Meinung grundsätzlich auch dann ein, wenn ein Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird. Das LG verneint zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin aus § 833 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der freiwilligen Risikoübernahme. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen. Der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, ist dabei regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen.

Unter welchen Voraussetzungen die Tierhalterhaftung ausnahmsweise bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen sein könnte, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße, konnte hier offenbleiben, denn ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben. Für Fallgestaltungen, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, wird ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt. Für Fälle der vorliegenden Art kann grundsätzlich nichts anderes gelten.

Der BGH hat für den Fall der Verletzung eines Hufschmiedes durch ein zu beschlagendes Pferd entschieden, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Der Umstand, dass der Inhaber einer Hundepension sich dem Tier nicht nur zur Vornahme einzelner Verrichtungen nähert, sondern dessen Beaufsichtigung ggf. für mehrere Tage vollständig übernimmt und während dieser Zeit die alleinige Herrschaft über das Tier innehat, rechtfertigt insoweit keine abweichende rechtliche Beurteilung. Grundsätzlich unerheblich ist, dass der Tierhalter während der Zeit der Obhut seines Hundes in der Tierpension von einer eigenen Einwirkung auf sein Tier ausgeschlossen ist. Dieser Gesichtspunkt steht der Tierhalterhaftung grundsätzlich nicht entgegen.

Die Tierhalterhaftung des Hundehalters gegenüber dem Tieraufseher, dem er seinen Hund zur Unterbringung in einer Hundepension überlassen hat, kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, der gewerblich tätige Inhaber der Hundepension sei deswegen während der Zeit der Unterbringung des Tieres für dieses allein verantwortlich, weil er aufgrund seiner Professionalität eine Schädigung durch das Tier vermeiden könne. Diese Erwägung ließe außer Acht, dass auch der Fachmann nicht vollständig zu verhindern vermag, dass sich typische, gleichwohl aber auch von ihm nicht zu beherrschende Tiergefahren realisieren. Der Umstand, dass ein Tieraufseher gewerblich tätig wird, macht ihn nicht weniger schutzwürdig.

Linkhinweis:

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