Unwirksame Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels
BGH 29.3.2017, XII ZB 576/16Die Ehe der Beteiligten wurde im Dezember 2003 rechtskräftig geschieden. Eine Hausratsteilung fand weder bei Trennung noch bei Scheidung statt. Im Jahre 2013 hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Herausgabe verschiedener Gegenstände des früheren gemeinsamen Hausstands begehrt, deren Gesamtwert er mit rd. 84.000 € beziffert hat. Für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe hat er Auskunft über den Verbleib der Gegenstände und Schadensersatz verlangt.
Das AG wies die Anträge ab. Gegen diesen ihm am 6.5.2016 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller fristgerecht Beschwerde ein. Mit beim OLG am 6.7.2016 (einem Mittwoch) eingegangenem Schreiben bat die Rechtsfachwirtin G. für den Antragsteller, die Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum 27.7.2016 zu verlängern. Der Senatsvorsitzende des OLG teilte dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unter dem 7.7.2016 mit, das Fristverlängerungsgesuch sei unwirksam, weil es nicht von einem Rechtsanwalt eingereicht worden sei und auch insoweit Anwaltszwang bestehe.
Am 8.7.2016 ging beim OLG ein vom Antragstellervertreter unterzeichneter Antrag auf Fristverlängerung ein. Mit Verfügung vom 11.7.2016 genehmigte der stellvertretende Senatsvorsitzende die "Fristverlängerung antragsgemäß bis 27.7.2016 genehmigt". Auf einen weiteren Fristverlängerungsantrag des Antragstellervertreters vom 25.7.2016, die Begründungsfrist nochmals bis 10.8.2016 zu verlängern, wies das OLG darauf hin, dass die Beschwerdebegründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Mit Beschluss vom 23.8.2016 verwarf es die Beschwerde als unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist zur Begründung der Beschwerde am 6.7.2016 endete und durch die Verfügung vom 11.7.2016 nicht wirksam verlängert wurde, weil der maßgebliche Verlängerungsantrag erst nach Fristablauf eingegangen ist.
Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob eine fehlerhafte Fristverlängerung wirksam ist, in erster Linie auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit verfahrensfehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen sowie insbesondere auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abzustellen. Danach darf der Verfahrensbeteiligte, dem eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, grundsätzlich darauf vertrauen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist. Grenzen ergeben sich allerdings aus dem Gebot der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
Verlängert der Vorsitzende die Rechtsmittelbegründungsfrist aufgrund eines vor deren Ablauf gestellten Antrags, ist seine Verfügung auch dann wirksam, wenn der Verlängerungsantrag verfahrensrechtlich nicht wirksam gestellt worden ist. Demgegenüber ist die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war.
Danach war die dem Antragsteller gewährte Fristverlängerung nicht wirksam, weil sie erst auf den nach Fristablauf eingegangenen, entsprechend § 114 Abs. 1 FamFG vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichneten Antrag hin erfolgt ist. Auf den am 6.7.2016, dem letzten Tag der Frist, beim OLG eingegangenen, von der nicht postulationsfähigen Rechtsfachwirtin unterschriebenen Verlängerungsantrag ist die Beschwerdebegründungsfrist hingegen nicht verlängert worden.
Vielmehr hat das OLG den Antragsteller ausdrücklich auf die Unwirksamkeit dieses Gesuchs hingewiesen und die Fristverlängerung erst auf den - verspäteten - Antrag des Rechtsanwalts gewährt. Es kommt nicht darauf an, wann der Antragstellervertreter Kenntnis von dem Hinweis erhalten hat. Denn die verstrichene Beschwerdebegründungsfrist war unabhängig von Vertrauensgesichtspunkten keiner Verlängerung zugänglich.
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