Unzulässige Klausel in städtebaulichem Vertrag: Nachzahlungsverpflichtung wegen Weiterverkauf
BGH 20.4.2018, V ZR 169/17Im Juli 2009 kauften der Kläger und seine damalige Ehefrau, die beide in einer Nachbargemeinde wohnten, von der beklagten Gemeinde zwei Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 857 qm zu einem Quadratmeterpreis von rd. 107 € einschließlich Erschließungskosten. Insgesamt betrug der Kaufpreis rd. 90.000 €, was - wie in dem Vertrag ausdrücklich festgehalten ist - dem Marktwert der Grundstücke entsprach. Die Grundstücke befinden sich in einem Baugebiet der beklagten Gemeinde.
Im notariellen Kaufvertrag verpflichteten sich die Käufer, innerhalb von acht Jahren nach Vertragsschluss auf den Grundstücken ein bezugsfertiges Wohnhaus zu errichten, dieses ab Bezugsfertigkeit acht Jahre lang selbst zu bewohnen und während dieser Zeit nicht zu veräußern. Für den Fall des Verstoßes gegen die Bauverpflichtung wurde der beklagten Gemeinde das Recht eingeräumt, die Grundstücke gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückzuerwerben. Für den Fall des Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht verpflichteten sich die Käufer zu einer Zahlung von 5 € pro Quadratmeter und für den Fall der Veräußerung der Grundstücke vor Ablauf von acht Jahren ab Bezugsfertigkeit an Dritte, bei denen es sich nicht um seit mindestens drei Jahren auf dem Gebiet der beklagten Gemeinde wohnhafte näher bestimmte Verwandte oder den Ehegatten handelt, zu einer Zahlung von 25 € pro Quadratmeter. Entsprechende Klauseln wurden von der beklagten Gemeinde bei zahlreichen Verkäufen in dem Baugebiet verwendet.
Der Kläger und seine damalige Ehefrau errichteten auf den erworbenen Grundstücken ein Wohnhaus, das sie bis zu ihrer Trennung im Jahr 2011 gemeinsam bewohnten. Nach der Scheidung ihrer Ehe veräußerten sie das Grundstück im September 2013. Daraufhin verlangte die beklagte Gemeinde vom Kläger und seiner früheren Ehefrau einen Betrag von insgesamt rd. 21.400 €, den diese unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezahlten. Der geforderte Betrag überstieg die Wertsteigerung der Grundstücke seit deren Erwerb im Juli 2009. Mit der Klage verlangt der Kläger von der beklagten Gemeinde die Rückzahlung des von ihm getragenen hälftigen Anteils von rd. 10.700 € nebst Zinsen und die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr ganz überwiegend statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des unter Vorbehalt an die beklagte Gemeinde gezahlten Betrages von rd. 10.700 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht.
Die im notariellen Kaufvertrag vereinbarte Nachzahlungsverpflichtung verstößt gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung i.S.d § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB und ist unwirksam. Nach dieser Vorschrift müssen die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt. Die vorliegende Vertragsgestaltung ist hiermit nicht vereinbar.
Für eine Vertragsgestaltung im sog. "Einheimischenmodell", bei dem der Verkauf anders als hier zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis erfolgt war, hat der BGH entschieden, dass eine Nachforderung im Umfang des eingeräumten Preisvorteils grundsätzlich möglich ist. Sie stellt keine Vertragsstrafe dar, sondern bedeutet den Widerruf der in der Kaufpreisverbilligung liegenden, an bestimmte Bedingungen geknüpften Subvention. Die von der beklagten Gemeinde verwendete Zuzahlungsklausel ist hingegen unangemessen, weil sie dem Kläger und seiner Ehefrau eine Zuzahlungsverpflichtung auferlegt, die unabhängig von einer Verkehrswertsteigerung des Grundstücks und damit unabhängig von einem tatsächlichen Vorteil der Erwerber ist.
Eine vorteilsunabhängige Nachzahlungsklausel lässt sich nicht mit dem Zweck der Verhinderung von Bodenspekulationen rechtfertigen. Beschränkungen, die die öffentliche Hand dem Käufer auferlegt, entsprechen nur dann dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um das Erreichen der zulässigerweise verfolgten Zwecke im Bereich der Wohnungsbau-, Siedlungs- oder Familienpolitik für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Die Abwehr von Grundstücksspekulationsgeschäften stellt zwar ein anerkennenswertes städtebauliches Ziel dar. Um Bodenspekulationen zu verhindern, ist es aber nicht erforderlich, dem Käufer für den Fall des Weiterverkaufs des Grundstücks eine vorteilsunabhängige Zuzahlungspflicht aufzuerlegen. Das Ziel der Spekulationsbekämpfung kann erreicht werden, indem sich der Zuzahlungsbetrag nach der tatsächlichen Bodenwertsteigerung bemisst. Der Pflicht zur Zahlung eines hiervon unabhängigen Betrages kommt dagegen ein strafähnlicher Charakter zu.
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