07.02.2013

Vaterschaft von eineiigen Zwillingen lässt sich noch nicht sicher durch genetische Abstammungsgutachten klären

Eineiigen Zwillingen ist im Rahmen eines Abstammungsverfahrens die Abgabe einer Spermaprobe oder die Einbeziehung ihres codierenden DNA-Bestandteil in die Abstammungsuntersuchung unzumutbar. Haben eineiige Zwillinge in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Kindesmutter verkehrt, lässt sich nach dem heutigen Stand der Wissenschaft die Vaterschaft nicht durch ein genetisches Abstammungsgutachten, klären.

OLG Celle 30.1.2013, 15 UF 51/06
Der Sachverhalt:
Der heute 14-jährige Kläger begehrte die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten. Die Kindesmutter hatte während der gesetzlichen Empfängniszeit - zwischen dem 28.3.1998 und dem 24.7.1998 - sowohl mit dem Beklagten als auch mit dessen eineiigen Zwillingsbruder geschlechtlichen Verkehr gehabt.

Das AG stellte nach Anhörung der Parteien, der Kindesmutter und nach Einholung eines Abstammungsgutachtens sowie eines Gutachtens zur Klärung der Empfängniszeit fest, dass der Beklagte der Vater des Klägers sei und gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Dem Kläger steht noch die Möglichkeit offen, in Revision zu gehen.

Die Gründe:
Es ließ sich nicht feststellen, dass der Beklagte biologischer Vater des Klägers ist, weshalb eine rechtliche Vaterschaft nicht in Betracht kam.

Weder durch Zeugenaussagen, noch durch Abstammungsuntersuchungen mit dem für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad konnte die Abstammung des Klägers aufgeklärt werden. Zum einem ließ sich die Vaterschaft des Beklagten nicht mit der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung begründen, wonach derjenige als Vater vermutet wird, der der Kindesmutter während der Empfängniszeit beiwohnte. Schließlich wurde diese gesetzliche Vermutung durch schwerwiegende Zweifel entkräftet, da die Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit nachweislich sowohl mit dem Beklagten als auch mit dessen Zwillingsbruder verkehrt hatte.

Zum anderen konnte anhand der fünf Sachverständigengutachten festgestellt werden, dass beim jetzigen Stand der Wissenschaft kein erprobtes Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bei eineiigen Zwillingen existiert. Lediglich rein in der Theorie diskutierte Vorgehen und nicht erprobte Verfahren könnten versuchen die genetischen Anlagen des Klägers einem der genetisch als identisch anzusehenden Zwillinge zuzuordnen. Die Erfolgsaussichten dieser nicht erprobten Verfahren wurden von den Gutachtern allerdings insgesamt als gering eingeschätzt.

Infolgedessen konnten der Beklagte sowie sein Zwillingsbruder die Abgabe der Spermaprobe verweigern. Ein darin liegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung war ihnen unzumutbar. Im Gegensatz zum "reinen" genetischen Fingerabdruck, lassen sich durch die codierten Bestandteile der DNA erhebliche Rückschlüsse auf charakter- oder krankheitsbezogene Persönlichkeitsmerkmale ziehen. Dies müssen der Beklagte und dessen Zwillingsbruder jedoch - auch mit Rücksicht auf das Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Abstammung - nicht dulden. Dies gilt vor allem, da die Analyse dieser Erbgutbestandteile im Wege eines Verfahrens mit experimentellem Charakter erfolgen würde, das gerade keine gesicherte und verifizierte Ergebnisse verspricht.

OLG Celle PM v. 6.2.2013
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