03.05.2013

Verkehrssicherungspflicht: Zur Frage der Qualifikation einer beim Reitunterricht eingesetzten Hilfsperson

Beim Reitunterricht eingesetzte Hilfspersonen bedürfen grundsätzlich keiner speziellen Ausbildung; für die zu organisierende Beaufsichtigung genügt der Einsatz einer pferdeerfahrenen und auch noch jugendlichen Aufsichtsperson. Ein bei einem Reitunfall Geschädigter muss darlegen und beweisen, dass der Reitlehrer zur sachgerechten Durchführung der Reitstunde nicht in der Lage war und deshalb den Geschäftsherrn ein Organisationsverschulden im Sinne eines Auswahlverschuldens trifft.

OLG Hamm 11.1.2013, 12 U 130/12
Der Sachverhalt:
Die seinerzeit fünfjährige Klägerin nahm im September 2010 an einer Reitstunde für Kinder in der von der Beklagten betriebenen Reitschule teil. Bei dem Unterricht führte eine 20-jährige Aushilfe der Beklagten ein Pony, bei dem eine Decke mit Haltegriff aufgelegt war, mit einer 1-2 m langen Longe im Kreis. Die Kinder ritten auf dem Pony und sollten auf Kommando frei sitzend kurz in die Hände klatschen. Bei dieser Übung verlor die Klägerin das Gleichgewicht und rutschte vom Pony.

Dabei erlitt die Klägerin eine Humerusfraktur, die operativ versorgt werden musste. Von der Beklagten verlangt sie Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld i.H.v. zumindest 5.000 €. Zur Begründung führte sie aus, eine von der Beklagten zu vertretene Verkehrssicherungspflichtverletzung oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden der eingesetzten Aushilfe habe zu dem Unfallgeschehen geführt.

Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus dem Unfallgeschehen zu.

Eine Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Unfall nicht auf ein unberechenbares Verhalten des Ponys zurückzuführen ist. Eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte nicht verletzt. Die Auswahl der mit dem Reitunterricht betrauten Aushilfe ist nicht zu beanstanden. Diese konnte nach ihrem Alter, Kenntnissen und Fähigkeiten die Reitstunde sachgerecht durchführen.

Die Beklagte war nicht gehalten, vor dem Reitunterricht mit Kindern generell deren Gesundheits- und Entwicklungsstand aufzuklären. Die Klägerin behauptet auch nicht, körperlich oder psychisch nicht imstande gewesen zu sein, an der Reitstunde teilzunehmen. Sie hatte bereits vor der Reitstunde auf einem Pony gesessen. Die Gruppengröße und die Dauer des Reitunterrichts haben sich auf das Unfallgeschehen nicht ausgewirkt. Auch die Reitübung war als übliche Gleichgewichtsübung nicht sachwidrig.

Ein der Beklagten zuzurechnendes Fehlverhalten der Aushilfe ist ebenso wenig festzustellen. Die Klägerin hatte schon vor der Stunde Reiterfahrung. In der Reitstunde saß sie vor dem Unfall gut auf dem Pferd und konnte im Trab und im Galopp reiten. Es war nicht zu erwarten, dass sie die Gleichgewichtsübung am Ende der Stunde, die die anderen Kinder vor der Klägerin erfolgreich durchgeführt hatten, nicht bewältigen würde.

Die Aushilfe war auch nicht unaufmerksam. Die Klägerin ist unvermittelt auf der der Aushilfe gegenüber liegenden Seite vom Pony gerutscht. Die Aushilfe hat versucht, den Sturz abzufangen. Dass ihr dies nicht gelungen ist, kann ihr in der Situation, in der sie schnell reagieren musste, nicht vorgeworfen werden.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 3.5.2013
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