15.02.2018

Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners nach erfolgter Akteneinsicht?

§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO sieht im Berufungsverfahren ohne Einwilligung des Gegners lediglich die Möglichkeit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat, nicht aber um einen Monat nach erfolgter Akteneinsicht vor. Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist auch nicht deswegen unwirksam, weil er kein bestimmtes Enddatum, sondern nur eine Frist benennt, die mit Eintritt eines bestimmten künftigen Ereignisses (hier: Akteneinsicht) zu laufen beginnen soll.

BGH 16.1.2018, VIII ZB 61/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte Ansprüche auf Zahlung von Miete geltend gemacht. Das AG wies ihre Klage ab. In der Berufungsschrift bat der erstmals für die zweite Instanz bestellte Prozessbevollmächtigte um Übersendung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach Einsichtnahme. Die Akteneinsicht wurde bewilligt, der Antrag auf Fristverlängerung blieb unbeantwortet.

Kurz vor Ablauf der bis 19.6.2017 laufenden, nicht verlängerten Frist erinnerte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an sein Verlängerungsgesuch und beantragte hilfsweise die Verlängerung "um einen weiteren Monat bis zum 19.7.2017". Das LG ließ auch diesen Antrag zunächst unbeantwortet. Die Berufungsbegründung ging Mitte August 2017 ein - einen Monat nach Überlassung der Akten.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit einem einen Tag später eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, dass eine Zustimmung der Beklagten zu einer Fristverlängerung nie erteilt worden sei. Daraufhin hat das LG die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte es aus, dass die Berufung entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht binnen einer Frist von zwei Monaten nach der am 19.4.2017 bewirkten Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils begründet worden sei. Es sei unerheblich, dass die Klägerin bereits in der Berufungsschrift den Antrag gestellt habe, die Frist für die Begründung der Berufung um einen Monat nach der ebenfalls beantragten Einsichtnahme in die Gerichtsakten zu verlängern.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der Beschluss des Berufungsgerichts nicht die Klägerin in ihren Ansprüchen auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

Gem. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) muss das Verfahren so gestaltet werden, wie die Parteien des Zivilprozesses es vom Gericht erwarten dürfen. Das Gericht darf sich nicht widersprüchlich verhalten, darf aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet.

Im vorliegenden Fall war in dem Umstand, dass das LG die Anträge auf Fristverlängerung nicht beschieden hatte, kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu sehen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte zwar erwarten, dass die Begründungsfrist auf seine Anträge hin bis 19.7.2017 verlängert wird. Mit einer weiteren Fristverlängerung ohne Zustimmung des Gegners durfte er aber nicht rechnen. Denn anders als im Revisionsverfahren (§ 551 Abs. 2 S. 6 ZPO) ist im Berufungsverfahren (§ 520 Abs. 2 ZPO) eine Verlängerung der Begründungsfrist um mehr als einen Monat ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht möglich, wenn dem Berufungskläger die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt wurde.

§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO sieht im Berufungsverfahren ohne Einwilligung des Gegners lediglich die Möglichkeit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat, nicht aber um einen Monat nach erfolgter Akteneinsicht vor. Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist auch nicht deswegen unwirksam, weil er kein bestimmtes Enddatum, sondern nur eine Frist benennt, die mit Eintritt eines bestimmten künftigen Ereignisses (hier: Akteneinsicht) zu laufen beginnen soll.

Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hatte die Klägerin nicht gestellt. Sie hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch nicht vorgetragen, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter an einer früheren Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung gehindert war.

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