18.10.2011

Verletzung autonomen Rechts bei Auslandszustellungen nach dem HZÜ kann anhand § 189 ZPO geheilt werden

Werden bei einer Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) die Anforderungen gewahrt und bei der Zustellung nur Formvorschriften des Zustellungsstaates verletzt, wird der Zustellungsmangel nach § 189 ZPO geheilt, wenn das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich zugegangen ist. Dies gilt vor allem, wenn das autonome Recht des Zustellungsstaates eine Heilung nicht vorsieht.

BGH 14.9.2011, XII ZR 168/09
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind deutsche Staatsangehörige, die in San Francisco (USA) lebten. Im Mai 1997 hatten sie in Rutherford/Kalifornien geheiratet. Im August 2006 reichte die Antragstellerin in Deutschland einen Scheidungsantrag ein, den ihre Verfahrensbevollmächtigte dem Antragsgegner übersandte. Später ließ das AG dem Antragsgegner den Scheidungsantrag im Wege der Auslandszustellung nach Art. 5 HZÜ unter dessen Wohnanschrift in San Francisco zustellen. Ein Nachweis über eine erfolgte Zustellung gelangte später zur Akte.

In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob bei der Zustellung des Scheidungsantrags am Wohnsitz des Antragsgegners die Voraussetzungen des kalifornischen Verfahrensrechts für eine Zustellung durch persönliche Übergabe erfüllt wurden. Der Antragsgegner räumte ein, im August 2007 einen Teil der Dokumente erhalten zu haben. Daraufhin reichte er einen eigenen Scheidungsantrag beim Familiengericht in San Francisco ein und erhob im deutschen Verfahren die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit.

AG und KG gaben dem Scheidungsantrag statt. Die Revision des Antragsgegners blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Zu Recht nahmen die Vorinstanzen an, dass die vom AG veranlasste Auslandszustellung wirksam war und zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags der Antragstellerin geführt hatte.

Das AG hatte die Zustellung des Scheidungsantrags nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ veranlasst. Danach muss das Schriftstück laut kalifornischen Zustellungsrecht dem Zustellungsempfänger persönlich übergeben werden (sec. 415.10 California Code of Civil Procedure). Zwar konnte im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden, ob diese Voraussetzung für eine wirksame Zustellung durchgeführt worden war. Allerdings durfte diese Frage offen bleiben, weil ein möglicher Verfahrensfehler bei der Zustellung in Kalifornien dadurch geheilt wurde, dass der Antragsgegner den Scheidungsantrag samt Verfügungen des AG tatsächlich erhalten hatte.

Bei der Frage der Heilung von Zustellungsmängeln ist danach zu differenzieren, ob bei der Zustellung Bestimmungen des HZÜ oder des autonomen Zustellungsrechts der beteiligten Staaten verletzt wurden. Die Anforderungen, die dieses Abkommen an eine wirksame Zustellung zwischen den Vertragsstaaten stellt, dienen - anders als Zustellungsvorschriften sonst - nicht primär dem Schutz des rechtlichen Gehörs des Zustellungsempfängers. Durch sie sollen vielmehr die Belange eines geordneten zwischen-staatlichen Rechtsverkehrs sichergestellt und die Zustellungsmaßstäbe im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr vereinheitlicht werden.

Dieser besondere Schutzzweck verbietet es, die Beachtung der Bestimmungen des HZÜ den Heilungsvorschriften des ersuchenden Staates zu unterstellen. Allerdings ist dies unerheblich, wenn - wie hier - bei einer Auslandszustellung die formalen Anforderungen des HZÜ gewahrt wurden und nur ein Verstoß gegen die maßgeblichen Vorschriften des Zustellungsstaates vorliegt. In diesem Fall wird durch den Rückgriff auf die nationalen Heilungsvorschriften das Völkerrecht nicht verletzt. Sieht somit das autonome Recht des Zustellungsstaates eine Heilung nicht vor, schließt das einen Rückgriff auf § 189 ZPO nicht aus, weil das Zustellungsverfahren Teil des Verfahrens des Prozessgerichts ist und damit die für die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Vorschriften der §§ 166 ff. ZPO Anwendung finden.

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