19.02.2015

Verweis auf Vorbringen in der Klageschrift genügt in der Berufungsbegründung nicht

Eine Berufungsbegründung muss verständlich angeben, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt und sie muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, bloß auf Vorbringen in der Klageschrift zu verweisen und einen Gehörsverstoß wegen Verletzung der Hinweispflicht zu rügen, ohne dabei auszuführen, was auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen worden wäre.

BGH 27.1.2015, VI ZB 40/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer angeblich fehlerhaften ärztlichen Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch. In den Jahren 2001 bis 2005 befand sich die Klägerin beim Beklagten, der eine orthopädische Praxis betreibt, wegen eines massiven Lymphödems im Ausmaß einer Elephantiasis, das die Versorgung der Klägerin mit orthopädischen Maßschuhen erforderlich machte, in Behandlung. Der Beklagte verordnete der Klägerin in dieser Zeit mehrere Paar Schuhe (Halbschuhe, Hausschuhe und Stiefel).

Mit der Behauptung, diese Schuhe seien mangelhaft gefertigt worden, hätten gedrückt und gerieben, was zu schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen geführt habe, nahm die Klägerin zunächst das Sanitätshaus, das die Schuhe hergestellt hatte, auf Schadensersatz in Anspruch. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Nunmehr nimmt die Klägerin den Beklagten mit der Behauptung in Anspruch, bereits die Verordnungen der Schuhe seien sämtlich fehlerhaft gewesen.

Das LG wies die Klage ab; es fehle bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten; es lasse sich auch nicht feststellen, dass die Beschwerden der Klägerin auf die Verordnungen des Beklagten zurückzuführen seien; zudem seien die von der Klägerin verfolgten Ansprüche verjährt. Die von der Klägerin dagegen geführte Berufung verwarf das OLG - nach vorherigem Hinweis - als unzulässig. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.

Zwar bestehen keine besonderen formalen Anforderungen, die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.

Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin nicht gerecht. Hinsichtlich der das landgerichtliche Urteil selbständig tragenden Annahme der Verjährung fehlt es an einem hinreichenden Berufungsangriff. Die bloße Bezugnahme auf Ausführungen in der Klageschrift erschöpft sich in einem nicht ausreichenden Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen. Ob die Ausführungen in der Klageschrift selbst geeignet sind, das angefochtene Urteil in Frage zu stellen, ist deshalb unerheblich.

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