22.09.2017

Vorlagen an den EuGH zur Sollbesteuerung und zur Margenbesteuerung

Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer und am Ausschluss des ermäßigten Steuersatzes bei der Überlassung von Ferienwohnungen im Rahmen der sog. Margenbesteuerung und hat daher zu beiden Rechtsfragen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Kurzbesprechung
BFH - Beschluss v. 21.6.2017   V R 51/16
BFH - Beschluss v. 3.8.2017   V R 60/16

UStG § UStG § 13 Absatz 1 Nr. 1, § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nr. 1, § 20 Satz 1
UStG § 12 Absatz 2 Nr. 11, § 25

Im Verfahren V R 51/16 geht es um eine Steuerpflichtige, die im bezahlten Fußball als Spielervermittlerin tätig war. Sie unterlag der sog. Sollbesteuerung, bei der der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits mit der Leistungserbringung unabhängig von der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat. Bei der Vermittlung von Profifußballspielern erhielt sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen.

Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL- GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen.

Das FA vertrat - entsprechend der bisherigen BFH - Rechtsprechung die Auffassung, dass die Steuerpflichtige ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte.

Der BFH bezweifelt jetzt nun jedoch, ob dies mit den bindenden Vorgaben des Unionsrechts, der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, vereinbar ist. Auf seine Vorlage soll der EuGH insbesondere entscheiden, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.

Im Verfahren V R 60/16 soll der EuGH entscheiden, ob er an seiner Rechtsprechung festhält, nach der die Überlassung von Ferienwohnungen durch im eigenen Namen --und nicht als Vermittler-- handelnde Reisebüros der sog. Margenbesteuerung unterliegt und ob bejahendenfalls die Berechtigung besteht, die Marge dann mit dem ermäßigten Steuersatz für die Beherbergung in Ferienunterkünften zu versteuern.

Beraterhinweis: Die dem EuGH zur Sollbesteuerung vorlegten Fragen sind von erheblicher praktischer Bedeutung. Sie beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen wie etwa beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings zum Tragen kommen. Auch hier besteht nach derzeitiger Rechtslage für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abführen zu müssen. Dies gilt bislang auch dann, wenn er einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.

BFH, Beschluss vom 21.6.2017, V R 51/16, veröffentlicht am 20.9.2017.
BFH, Beschluss vom 3.8.2017, V R 60/16, veröffentlicht am 20.9.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt