13.01.2015

Vorrangige Bestattungspflicht des Sohnes eines Verstorbenen gegenüber der Schwester

Ist ein Verwandter nach § 1611 BGB von der Unterhaltspflicht befreit, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Entfallen der öffentlich rechtlichen Bestattungspflicht. Auch wenn das Verabreichen von Bier an ein Kind eine Körperverletzung darstellte, läge keine schwere Straftat vor, welche die Bestattungspflicht als Ausfluss der Totenfürsorge schlechthin unerträglich und in jeder Hinsicht unverhältnismäßig erscheinen ließe.

VG Lüneburg 16.12.2014, 5 A 146/14
Der Sachverhalt:
Im Oktober 2013 war ein Bruder der Klägerin verstorben. Die Beklagte ermittelte daraufhin Angehörige des Verstorbenen und fand hierbei heraus, dass der Verstorbene verheiratet war, die Ehe allerdings bereits 1995 geschieden worden war. Aus der Ehe ging ein Sohn (C.) hervor. Nachdem es der Beklagten nicht gelungen war, zeitnah Kontakt zu C. aufzunehmen, gab sie die Einäscherung des Verstorbenen in Auftrag.

Im November 2013 forderte die Beklagte den C. auf, für die Bestattung der Urne seines Vaters Sorge zu tragen. Hierauf meldete sich eine Verfahrensbevollmächtigte des Sohnes und teilte mit, dass zwischen dem Verstorbenen und C. keine Eltern-Kind-Beziehung bestanden habe. Die Eltern hätten sich getrennt, als der Sohn drei Jahre alt gewesen sei. Der Mutter sei das alleinige Sorgerecht zugesprochen worden. Anfängliche Kontakte des Verstorbenen zu seinem Sohn seien eingestellt worden, da der Verstorbene seinen Sohn nicht kindgerecht behandelt und ihm u.a. Bier zu trinken gegeben habe. Der Verstorbene habe seinem Sohn auch nie Unterhalt gezahlt. Der Anspruch des Verstorbenen gegen seinen Sohn auf Unterhalt gem. § 1611 BGB sei verwirkt. Eine Bestattungspflicht des Sohnes wäre somit unbillig.

Infolgedessen wandte sich die Beklagte an die Klägerin und forderte nunmehr diese auf, die Urne des Verstorbenen beizusetzen. Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, setzte die Beklagte die Urne durch Kommunale Dienste bei. Im Juli 2014 teilte sie der Klägerin mit, dass ihr durch die Einäscherung und Bestattung des Verstorbenen Kosten i.H.v. insgesamt 1.892 € entstanden seien. Diese Kosten seien anteilig von allen Geschwistern des Verstorbenen zu tragen. Der Anteil der Klägerin belaufe sich auf rund 157 €.

Das VG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Umstände, aufgrund derer die Bestattungspflicht des Sohnes des Verstorbenen entfallen wäre, lagen - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht vor.

Ausnahmen von der Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 NBestattG sieht das Gesetz nicht vor. Ein Entfallen der Bestattungspflicht aus Billigkeitsgründen kommt daher nur in besonderen Ausnahmesituationen in Betracht, in denen einem Angehörigen schlichtweg unzumutbar ist, für die Bestattung des Verstorbenen Sorge zu tragen. Als Maßstab dafür sind die zivilrechtlichen Bestimmungen, nach denen die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten (§ 1579 BGB) oder Verwandter in gerader Linie (§ 1611 BGB) wegen grober Unbilligkeit eingeschränkt ist oder vollständig entfällt, nicht geeignet. Denn anders als die Unterhaltspflicht stellt die Bestattungspflicht kein "Dauerschuldverhältnis" zwischen Verstorbenem und bestattungspflichtigem Angehörigen dar.

Bei der Pflicht zum Bestatten des Verstorbenen handelt es sich vielmehr nur um eine einmalige, mit von vornherein begrenzten Kosten verbundene Pflicht. Aus diesem Grund darf und muss die Schwelle, ab derer von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist und die Bestattungspflicht auf den nächstrangig Bestattungspflichtigen oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, auf die Allgemeinheit übergeht, eine erheblich höhere sein. In Betracht kommt etwa ein Entfallen der Bestattungspflicht bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich bestattungspflichtigen Angehörigen oder bei einem vergleichbaren besonders schwerwiegenden elterlichen Fehlverhalten und einer daraus folgenden beiderseitigen grundlegenden Zerstörung des Eltern-Kind-Verhältnisses.

Nicht ausreichend sind jedoch, ein zerrüttetes Verhältnis des Verstorbenen zu dessen nahen Angehörigen, das zu einem über Jahrzehnte ausbleibendem Kontakt führt, oder sonst gestörte Familienverhältnisse. Infolgedessen führten die von der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht zu einem Entfallen der Bestattungspflicht des Sohnes des Verstorbenen. Auch wenn das Verabreichen von Bier an ein Kind - wie die Beklagte meinte - eine Körperverletzung darstellte, läge keine schwere Straftat vor, welche die Bestattungspflicht als Ausfluss der Totenfürsorge schlechthin unerträglich und in jeder Hinsicht unverhältnismäßig erscheinen ließe und eine - ungeschriebene - Ausnahme von der gesetzlich festgelegten Bestattungspflicht des Sohnes des Verstorbenen rechtfertigte.

Linkhinweis:

Für den in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen OLG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

VG Lüneburg online
Zurück