17.10.2017

Wann beruhen zwei Ansprüche auf "demselben Grund" i.S.v. § 213 BGB?

Zwei Ansprüche beruhen auf "demselben Grund" i.S.v. § 213 BGB, wenn sie aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss "im Kern" identisch sein. Hieran fehlt es im Verhältnis zwischen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen einerseits und Ansprüchen aus einer daneben abgeschlossenen (Haltbarkeits-)Garantie andererseits.

BGH 27.9.2017, VIII ZR 99/16
Der Sachverhalt:
Am 23.1.2013 verkaufte und übergab die beklagte Autohändlerin dem klagenden Unternehmer einen gebrauchten Pkw mit einer Laufleistung von rd. 150.000 km zu einem Kaufpreis von rd. 9.500 €. Am 24.1.2013 schlossen die Parteien für das Fahrzeug einen Garantievertrag mit einer Laufzeit von zwölf Monaten ab, der die Beklagte im Falle eines Defekts bestimmter Bauteile innerhalb der Laufzeit zu einer Reparatur verpflichtete, wobei der Kläger als Selbstbehalt 40 % der Materialkosten zu tragen hatte. Von der Garantie waren u.a. Schäden an der Kraftstoffanlage umfasst. Gem. § 5 Nr. 2 der Garantiebedingungen verjähren Ansprüche aus einem Garantiefall sechs Monate nach Schadenseintritt, spätestens sechs Monate nach Ablauf der Garantiezeit.

Am 22.7.2013 blieb der Pkw aufgrund eines Defekts an den Einspritzdüsen liegen. Nach einem Kostenvoranschlag der Beklagten belaufen sich die Kosten für eine Reparatur auf rd. 1.700 € nebst Umsatzsteuer. Mit Anwaltsschreiben vom 8.8.2013 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur (kostenlosen) Reparatur auf. In der Folgezeit lehnte der Kläger eine Regulierung des Schadensfalls auf der Grundlage des abgeschlossenen Garantievertrags ausdrücklich ab und erklärte mit Schreiben vom 13.11.2013 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit seiner am 22.1.2014 eingereichten und am 10.2.2014 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer verminderten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges, Feststellung des Annahmeverzuges sowie Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Nachdem er zunächst ausgeführt hatte, es erübrige sich, auf die abgeschlossene Garantievereinbarung einzugehen, weil er allein gesetzliche Gewährleistungsansprüche geltend mache, hat er sich mit Schriftsatz vom 3.12.2014 auch auf Ansprüche aus dem Garantievertrag berufen und mit Schriftsatz vom 23.12.2014 hilfsweise die Zahlung von rd. 1.700 € nebst Zinsen sowie schließlich mit Schriftsatz vom 21.1.2015 äußerst hilfsweise die Durchführung der im oben genannten Kostenvoranschlag bezeichneten Reparaturen begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die zuletzt nur noch auf Reparatur des Fahrzeugs nach der Garantievereinbarung gerichtete Klage ist unbegründet, weil dem Anspruch des Klägers die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) entgegensteht.

Die mit dem Auftreten des Defekts an der Einspritzdüse am 22.7.2013 in Gang gesetzte sechsmonatige Verjährungsfrist ist spätestens am 13.5.2014 abgelaufen, nachdem die Verhandlungen über das Bestehen eines Garantieanspruchs jedenfalls nicht über den 13.11.2013 hinaus fortgeführt wurden. Die Erhebung der zunächst auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage hat die Verjährung des zuletzt allein verfolgten Reparaturanspruchs aus der Garantie weder nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt noch zu einer Erstreckung der Verjährungshemmung nach § 213 BGB geführt. Ansprüche aus der Garantie waren somit bereits verjährt, als sie vom Kläger im Dezember 2014 erstmals im vorliegenden Prozess erhoben wurden.

Zutreffend hat das OLG eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB verneint. Denn die am 10.2.2014 erhobene Klage war auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtet und hatte somit einen anderen Streitgegenstand als der zuletzt allein geltend gemachte Anspruch auf Reparatur des Fahrzeugs. Dem OLG ist auch darin beizupflichten, dass sich aus § 213 BGB keine Erstreckung der verjährungshemmenden Wirkung der Klage-erhebung auf den später geltend gemachten Reparaturanspruch ergibt. Weder steht dieser Anspruch aus demselben Grunde wahlweise neben einem etwaigen Rückabwicklungsanspruch aus dem Kaufvertrag (elektive Konkurrenz; § 213 Alt. 1 BGB) noch ist dieser Anspruch aus demselben Grunde an Stelle eines solchen Rückabwicklungsanspruchs gegeben (alternative Konkurrenz; § 213 Alt. 2 BGB).

Der Gesetzgeber hat die Reichweite der in § 213 BGB angeordneten Wirkungserstreckung bewusst weit gefasst. Die für einen geltend gemachten Anspruch bewirkten verjährungshemmenden oder den Neubeginn der Verjährung auslösenden Maßnahmen sollen sich ausweislich der Gesetzesmaterialien in all den Fällen auf sämtliche Ansprüche erstrecken, in denen das Gesetz einem Gläubiger von vornherein mehrere, zwar auf das gleiche Interesse gerichtete, aber inhaltlich verschiedene Ansprüche zur Wahl stellt (elektive Konkurrenz) oder es ihm zumindest in Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Interesses ermöglicht, von einem Anspruch zum anderen überzugehen. Dem Gesetzgeber war dabei aber auch - im Hinblick auf eine ausgewogene Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen - daran gelegen, die Reichweite der Erstreckungswirkung des § 213 BGB nicht ins Uferlose auszudehnen.

Für die Frage, ob ein von § 213 Alt. 1 BGB erfasster Fall elektiver Konkurrenz mehrerer Ansprüche vorliegt, ist darauf abzustellen, ob das Gesetz dem Gläubiger generell mehrere, einander ausschließende Ansprüche zur Auswahl stellt und diese Ansprüche für ihn aus demselben Grunde bestehen. Zwei Ansprüche beruhen auf "demselben Grund" i.S.v. § 213 BGB, wenn sie aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss "im Kern" identisch sein. Hieran fehlt es jedoch im Verhältnis zwischen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen einerseits und Ansprüchen aus einer daneben abgeschlossenen (Haltbarkeits-)Garantie andererseits. Vorliegend beruhen beide Ansprüche im Kern auf verschiedenen Anspruchsgründen und somit nicht auf "demselben Grund" i.S.d. § 213 BGB.

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