28.08.2015

Wann ist ein schriftlicher Vergleichsvorschlag des Gerichtes wirksam geschlossen?

Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Fall 2 ZPO kann nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts mit Schriftsatz der Parteien wirksam geschlossen werden. Andererseits kann widersprüchliches Verhalten einer Partei (venire contra factum proprium) im Prozess rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein.

BGH 14.7.2015, VI ZR 326/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte den Beklagten wegen einer angeblich fehlerhaften privatärztlichen Behandlung in Anspruch genommen. Das LG wies die Klage ab. Das Berufungsgericht machte den Parteien in der mündlichen Verhandlung am 26.3.2014 einen Vergleichsvorschlag. Den Vergleichstext diktierte der Senatsvorsitzende zu Protokoll auf einen Tonträger. Die Aufzeichnung wurde den Parteien vorgespielt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte sodann: "Der Vergleichstext ist uns soeben vorgespielt worden. Er wird genehmigt und es wird hiermit die Zustimmung nach § 278 Abs. 6 ZPO erklärt."

Auch diese Erklärung wurde ebenfalls zu Protokoll auf einen Tonträger diktiert und, nachdem sie den Parteivertretern und den Parteien vorgespielt worden war, vom Klägervertreter genehmigt. Das Berufungsgericht verkündete anschließend einen Beschluss, der u.a. beinhaltete, dass der Beklagte Gelegenheit zur Zustimmung zum Vergleichsvorschlag nach § 278 Abs. 6 ZPO binnen drei Wochen erhalte. Das die Aufzeichnung wiedergebende schriftliche Protokoll der mündlichen Verhandlung wurde den Parteivertretern jeweils am 2.4.2014 zugestellt. Mit am 14.4.2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz stimmte der Beklagte dem Vergleichsvorschlag des Berufungsgerichts zu.

Daraufhin stellte das Berufungsgericht mit Beschluss vom 16.4.2014 das Zustandekommen des Vergleichs fest. Der Beschluss wurde dem Klägervertreter am 22.4.2014 zugestellt. Mit am 14.5.2014 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin den Prozessvergleich wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten und die Störung der Geschäftsgrundlage eingewandt. Sie hat außerdem geltend gemacht, der Vergleich sei prozessual nicht wirksam zustande gekommen.

Das Berufungsgericht stellte daraufhin fest, dass der Rechtsstreit sich durch Vergleich erledigt hatte. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Der Prozessvergleich war zwar nicht formwirksam zustande gekommen. Der erkennende Senat teilt insofern in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG Hamm und Stimmen in der Literatur nicht die Meinung des Berufungsgerichtes, wonach die zu Protokoll des Gerichtes erklärte Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Klägerin ebenfalls dem Formerfordernis nach § 278 Abs. 6 S. 1 Fall 2 ZPO genüge. Ausgehend vom Wortlaut verlangt die Vorschrift nämlich eine Erklärung der Partei durch Schriftsatz. Die Niederschrift einer mündlichen Erklärung der Partei zu Protokoll genügt dafür jedoch nicht.

Dennoch war der Prozess beendet. Die Klägerin konnte sich nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB darauf berufen, dass der vom Berufungsgericht nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO festgestellte Vergleich prozessual nicht wirksam zustande gekommen war. Denn widersprüchliches Verhalten einer Partei (venire contra factum proprium) im Prozess kann rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein. Und so lag der Fall auch hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag ausdrücklich "nach § 278 Abs. 6 ZPO" erklärt. Er gab mithin seine Zustimmungserklärung, obschon er diese nur mündlich erklärte, ausdrücklich als Annahmeerklärung i.S.d. § 278 Abs. 6 S. 1 Fall 2 ZPO ab.

Obwohl dem Prozessbevollmächtigten das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 2.4.2014 zugestellt worden war und die Zustimmung des Beklagten erst am 14.4.2014 zu den Akten gelangt war, machte der Prozessbevollmächtigte den die Wirksamkeit des Vergleichs in Frage stellenden Mangel auch in der Folgezeit nicht geltend. Er ließ vielmehr den gerichtlichen Vergleich durch Beschluss vom 16.4.2014 feststellen und blieb nach Zustellung des Beschlusses am 22.4.2014 länger als drei Wochen untätig. Auch ist das Vertrauen des Beklagten auf die ausdrücklich auf Abschluss eines Prozessvergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO abzielende Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung schutzwürdig.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück