22.07.2013

WEG: Überwachung des Eingangsbereiches mit einer Videokamera ist grundsätzlich zulässig

Die Überwachung des Eingangsbereiches einer Wohnungseigentumsanlage mit einer Videokamera ist generell nicht unzulässig. Sie ist zulässig, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6b BDSG inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.

BGH 24.5.2013, V ZR 220/12
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im März 2008 wurde der frisch renovierte Eingangsbereich des Gebäudes durch einen Farbanschlag verunreinigt. Die Eigentümer beschlossen daraufhin mehrheitlich unter Zustimmung der Klägerin, in dem Eingangsbereich eine Videoüberwachungsanlage zu installieren. In dem Beschluss ist bestimmt, dass die Videodaten durch ein zertifiziertes Unternehmen ausgelesen werden, "wenn drei Eigentümer für ein und denselben Vorgang mit Schadensfolge oder mit kriminellen Handlungen bei der Verwaltung oder direkt bei einem zugelassenen Unternehmen gemeldet werden." In dem Protokoll ist zudem der Wunsch festgehalten, die Videoüberwachungsanlage als temporäre Lösung anzusehen. Der Beschluss wurde nicht angefochten.

Mit Hilfe der Videoaufzeichnungen konnten mehrere Fahrraddiebstähle aufgeklärt werden. Auf der Wohnungseigentümerversammlung im Mai 2010 wurde der Antrag der Klägerin, die Anlage abzubauen, mehrheitlich abgelehnt. Es wurde ein Vorteil der Anlage darin gesehen, "einen Überblick wegen Prostitution und bordellartigem Betrieb zu haben". AG und LG wiesen die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Entscheidung des LG insoweit auf, als die Berufung hinsichtlich einer Stilllegung der Videoüberwachungsanlage zurückgewiesen worden war und erklärte den Beschluss der Wohnungseigentümer auf der Versammlung im Mai 2010 insoweit für ungültig, als auch eine Stilllegung der Anlage abgelehnt worden war.

Gründe:
Der Eingangsbereich einer Wohnungseigentumsanlage kann mit einer Videokamera überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6b BDSG inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Infolgedessen hatte das LG im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Videoüberwachungsanlage verneint.

Die Beklagten waren aber nach § 21 Abs. 4 WEG verpflichtet, die Videoüberwachungsanlage sofort stillzulegen. Diese Stilllegung wurde nun nach § 21 Abs. 8 WEG angeordnet. Dem stand nicht entgegen, dass der Beschluss über den Einbau der Anlage nicht angefochten worden und damit bestandskräftig geworden war. Ein Wohnungseigentümer kann zwar grundsätzlich nicht verlangen, dass ein bestandskräftiger Beschluss nicht oder nicht mehr ausgeführt wird. Er kann aber die Änderung eines solchen Beschlusses verlangen, wenn schwerwiegende Gründe - etwa eine erhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - das Festhalten an dem Beschluss als treuwidrig erscheinen lassen. Und eine solche Veränderung von Umständen lag hier vor. Deshalb war es auch unerheblich, dass die Klägerin dem Einbau seinerzeit zugestimmt hatte.

Die Eigentümer sahen die Videoüberwachung inzwischen nicht mehr als temporäre, sondern als Dauerlösung an und verfolgten auch nicht mehr nur den Zweck, "Schadensfälle und kriminelle Handlungen", wie es in dem Einrichtungsbeschluss hieß aufzuklären, sondern auch den Zweck, den Besucherverkehr im Hinblick auf die "Ausübung von Prostitution oder einen bordellartigen Betrieb" zu überwachen. Diese veränderte Haltung der Mehrheit der Wohnungseigentümer stellte eine ganz erhebliche Veränderung der Umstände dar. Sie belegte nämlich, dass die schutzwürdigen Interessen der Klägerin an der Wahrung ihrer Privatsphäre nicht nur nicht förmlich abgesicherte, sondern auch tatsächlich durch eine schleichende Erweiterung der Überwachungszwecke gefährdet waren. Das musste die Klägerin nicht hinnehmen.

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