19.05.2011

WEG: Wohnungseigentümern haben bei Änderung des Umlageschlüssels weiten Gestaltungsspielraum

Bei der Frage, ob die Neuregelung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungseigentümern bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind in der Regel unzulässig, allerdings gibt es Ausnahmen.

BGH 1.4.2011, V ZR 162/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung aus dem Jahr 1961sind die Betriebskosten im Verhältnis der Wohnflächen auf die Wohnungseigentümer umzulegen. Die "für das gemeinschaftliche Eigentum" zu entrichtende Instandhaltungsrücklage richtet sich ebenfalls nach der Wohnfläche. Der von der Teilungserklärung vorgegebene Verteilungsschlüssel kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden.

In der Eigentümerversammlung vom 30.6.2009 wurde unter TOP 3 mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2008 die Umlage bestimmter Betriebskosten sowie der "Zuführung Rücklage Tiefgarage" nach Einheiten beschlossen. Auf der Grundlage des geänderten Verteilungsschlüssels wurde sodann "unter Entlastung der Verwaltung" die Jahresabrechnung 2008 gebilligt (TOP 4) und der Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 beschlossen (TOP 5).

AG und LG wiesen die gegen diese Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und gab der Klage insoweit statt.

Die Gründe:
Der Anfechtungsklage war nur insoweit stattzugeben, als sie sich gegen die Änderung des Schlüssels für die "Rücklage Tiefgarage" richtete.

Die Änderung des die Kostenarten "Schornsteinfeger/Emissionsmessung, Reinigung der Tiefgarage und Gehwege, Betriebskosten Tiefgarage, Kabelfernsehen und Verwaltungskosten" betreffenden Umlageschlüssels hatte das LG zu Recht nicht beanstandet. Bei der Frage, ob die Neuregelung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungseigentümern bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist.

Mit Blick auf die für das Geschäftsjahr 2008 angeordnete Rückwirkung galt es zu berücksichtigen, dass rückwirkende Änderungen des Umlageschlüssels nicht ohne weiteres den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind grundsätzlich unzulässig. Geht es dagegen - wie vorliegend - um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang, ist eine Rückwirkung - so spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa § 6 Abs. 4 HeizkostenVO) fehlen - hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat. Und so lag der Fall hier.

Keinen Bestand haben konnte allerdings die Abänderung des Umlageschlüssels, soweit es um die sog. "Zuführung Rücklage Tiefgarage" ging. Schließlich betraf die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zur Ansammlung einer solchen Rücklage nicht lediglich einen Einzelfall i.S.d. § 16 Abs. 4 WEG. Der angefochtene Beschluss regelte insofern nicht nur eine einzelne Maßnahme und erschöpfte sich nicht in deren Vollzug. Instandhaltungsrückstellungen werden nicht für eine einzige Maßnahme, sondern für den zukünftigen - noch nicht konkret vorhersehbaren - Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf gebildet. Dass es sich hier anders verhielt, war nicht ersichtlich.

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