17.06.2011

WEG: Zum Rechtsschutzschutzbedürfnis bei Vollzug beschlossener Maßnahmen zur Instandsetzung

Wohnungseigentümer, die einem Beschluss über eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung nicht zugestimmt haben, werden nach erfolgreicher Beschlussanfechtung auch dann nicht in analoger Anwendung von § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG von den Kosten befreit, wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist und nicht rückgängig gemacht werden kann. Allerdings besteht ein Rechtsschutzbedürfnis aus anderen Gründen regelmäßig fort.

BGH 13.5.2011, V ZR 202/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Jahr 2002 wurde Sanierungsbedarf an den Fassaden der beiden zugehörigen Gebäude festgestellt. Im Juli 2008 beschloss die Eigentümerversammlung die Instandsetzung für ca. 45.000 €. Eine nach Beginn der Arbeiten in Auftrag gegebene Begutachtung ergab einen erheblich höheren Sanierungsbedarf. Im September 2008 beschlossen die Wohnungseigentümer deshalb die Fortsetzung der Arbeiten und Erhöhung des Budgets auf ca. 65.000 €. Diesen Beschluss erklärte das AG rechtskräftig für ungültig, weil die Eigentümer keine Möglichkeit zur Vorbefassung mit dem Gutachten hatten und keine Alternativen zur Sanierung der neu festgestellten Mängel aufgezeigt wurden.

Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an dem ersten Gebäude fassten die Eigentümer im Mai 2009 u.a. drei Beschlüsse, gegen die sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage wandte. Zu TOP 3 beschlossen sie, die durchgeführten Arbeiten auf der Grundlage des Beschlusses von September 2008 zu genehmigen und die Kosten aus der Instandhaltungsrücklage zu finanzieren, zu TOP 4 lehnten sie einen Antrag der Klägerin auf Feststellung der Schäden und Erstellung eines Sanierungskonzepts durch einen anderen Sachverständigen ab und zu TOP 6 beschlossen sie die Fortsetzung der Sanierungsarbeiten an dem zweiten Gebäude sowie die Entnahme des hierfür erforderlichen Betrages von 32.000 € aus der Instandhaltungsrücklage.

AG und LG wiesen die Klage hinsichtlich TOP 3 als unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Annahme, das Rechtsschutzschutzbedürfnis sei durch den Vollzug der beschlossenen Maßnahmen entfallen, war rechtsfehlerhaft. Die Klage war somit zulässig.

Nach einer Ansicht entfällt das Rechtsschutzbedürfnis zwar, weil in einem Schadensersatzprozess inzident geprüft werden könne, ob der Beschluss rechtmäßig sei. Die Bestandskraft des Beschlusses stehe dem nicht entgegen, weil die Wohnungseigentümer mögliche Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer nicht konstitutiv verändern könnten. Nach der Gegenmeinung bleibt das Rechtsschutzbedürfnis allerdings regelmäßig bestehen, da die erfolgreiche Anfechtung die Kostenfreistellung des überstimmten Wohnungseigentümers gem. § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG in direkter oder analoger Anwendung zur Folge habe. Teilweise wird auch auf die mögliche Bindungswirkung einer Entscheidung über die Anfechtungsklage in weiteren Prozessen verwiesen.

Die zweite Auffassung ist vorzuziehen, denn das Rechtsschutzbedürfnis entfällt in der Regel nicht allein durch den Vollzug des Beschlusses. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings nicht auf eine Kostenbefreiung des überstimmten Wohnungseigentümers gem. § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG nach erfolgreicher Anfechtung stützen. Denn die Vorschrift ist auf Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 WEG bezogen und damit auf Maßnahmen der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung nicht direkt anwendbar. Für diese gilt die Pflicht zur anteiligen Kostentragung gem. § 16 Abs. 2 WEG auch dann, wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist und nicht rückgängig gemacht werden kann.

Das Rechtsschutzbedürfnis besteht aber aus anderen Gründen regelmäßig fort. Denn ein Rechtsschutzbedürfnis ist im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung dient. Es entfällt deshalb nur ausnahmsweise, wenn ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen kann. Die Zulässigkeitsprüfung darf weder dazu führen, dass die Auswirkungen eines Beschlusses auf nachfolgende Rechtsstreitigkeiten abschließend beurteilt werden, noch darf die Sachentscheidung unter Hinweis auf eine Prüfung des Beschlusses in Folgeprozessen verwehrt werden. Denn ein bestandskräftiger Beschluss schließt jedenfalls den Einwand aus, die Beschlussfassung habe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen.

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