19.11.2015

WEG: Zustimmung im Garten ist grundsätzlich bedeutungslos

Die Zustimmung nach §§ 22 Abs. 1 Nr. 1, 14 Nr. 1 WEG muss im Rahmen eines Beschlussverfahrens der Eigentümergemeinschaft durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens (hier: angeblich im Garten) ist grundsätzlich bedeutungslos und legitimiert Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 WEG nicht.

LG München I 6.7.2015, 1 S 22070/14
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Eigentümer einer Erdgeschosswohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, für die ein Sondernutzungsrecht im Gartenbereich begründet ist. Der Kläger ist Eigentümer der darüber liegenden Wohnung. In der GemO ist für Sondernutzungsflächen geregelt, dass das Aufstellen von Garten- oder Gerätehäusern, Schuppen, Fahrradhäusern etc. untersagt sei; für eine Änderung dieser Bestimmung fänden die Vorschriften des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG Anwendung.

Die Beklagten hatten dennoch ohne Beschluss der Eigentümer ein Gerätehaus sowie eine mobile Holzterrasse im Garten errichtet. Die mobile Holzterrasse wird entweder direkt am Haus oder auf dem Rasen platziert. Der Kläger begehrte nach erfolgloser vorgerichtlicher Aufforderung Beseitigung des Gartenhauses und die Unterlassung, die mobile Holzterrasse auf der Fläche aufzubauen und zu unterhalten.

Im Juni 2012 fanden ein Treffen im Garten und anschließend eine Eigentümerversammlung statt. In der Eigentümerversammlung wurde ein Beschluss über die Zulässigkeit einer der vorgenannten Maßnahmen nicht gefasst. Streitig blieb, ob der Kläger bei dem Treffen im Garten seine Zustimmung zur Errichtung des Gartenhauses auf einem bestimmten Platz mündlich erteilt hatte. Der Kläger behauptete, nur der rechtlichen Klärung durch einen Notar darüber zugestimmt zu haben, welcher Zustimmungen es bedürfe.

Das AG gab der Klage auf Beseitigung und Unterlassung statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Das Berufungsurteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen Ansprüche auf Beseitigung des Gartenhauses und Unterlassung des Errichtens und Unterhaltens der mobilen Holzterrasse aus §§ 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 Nr. 1, 14 Nr. WEG zu.

Das Gartenhaus stellt eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. Nr. 1 WEG dar. Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum nur in solcher Weise zu gebrauchen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.

Wenn eine erhebliche optische Veränderung des Gemeinschaftseigentums mit der Maßnahme einhergeht, ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich; denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht; die Minderheit muss sich in Fällen des § 22 Abs. 1 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG dem Geschmack der Mehrheit nicht fügen. Auch eine bauliche Veränderung, die eine intensivere Nutzung ermöglicht als bisher, stellt eine Beeinträchtigung über das nach § 14 Nr. 1 WEG vermeidbare Maß hinaus dar.

Auf die Frage eines dauerhaften Eingriffs in die Substanz, kam es bei der mobilen Holzterrasse nicht an, weil die Maßnahme ohnehin das Maß dessen überschreitet, was die Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG im Rahmen des geordneten Zusammenlebens hinzunehmen haben. Das löst einen Beseitigungsanspruch bzw. Unterlassungsanspruch nach §§ 15 Abs., 14 Nr. 1 WEG, 1004 Abs. 1 BGB aus. Das Maß des § 14 Nr. 1 WEG ist durch die mobile Holzterrasse überschritten. Die Holzterrasse verändert optisch den Gesamteindruck des Gartens und erlaubt zudem eine intensivere Nutzung der Sondernutzungsfläche.

Die erforderliche Zustimmung nach §§ 22 Abs. 1 Nr. 1, 14 Nr. 1 WEG aller Wohnungseigentümer, insbesondere die des Klägers lag nicht vor. Die Zustimmung muss im Rahmen eines Beschlussverfahrens der Eigentümergemeinschaft durch positive Stimmabgabe zu dem beantragten Beschluss abgegeben werden; die isolierte Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer außerhalb eines Beschlussverfahrens ist grundsätzlich bedeutungslos und legitimiert Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 WEG nicht. Die formlos erklärte Zustimmung zu einer zustimmungsbedürftigen Maßnahme löst den Missbrauchseinwand nach § 242 BGB gegen ein Beseitigungsverlangen nicht aus, solange keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.

LG München
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