24.08.2015

Wer kann Mängelrechte beim Kauf von gebrauchten Eigentumswohnungen geltend machen?

Die allein nach Kaufrecht zu beurteilenden Ansprüche auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz fallen jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG, wenn eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart wurde. Gemeinschaftsbezogen i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG sind nur Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern.

BGH 24.7.2015, V ZR 167/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Dezember 2010 von der Beklagten eine Eigentumswohnung zum Preis von 150.000 € gekauft. Die Haftung für Sachmängel wurde dabei ausgeschlossen. Das Haus gehört zu einem größeren - in den fünfziger Jahren errichteten - Gebäudekomplex, der bereits im Jahr 1987 im Auftrag der Muttergesellschaft der Beklagten auf seine Standsicherheit hin untersucht worden war. Die darauf bei einigen Wohngebäuden vorgenommene Sanierung blieb hinter den Vorgaben des Sachverständigen zurück. Im Jahr 2003 führte ein weiterer Sachverständiger zu einem anderen Gebäude der Wohnungseigentumsanlage aus, es sei als kritisch zu bewerten, dass kein geschlossenes Abdichtungssystem für das Kellergeschoss gegeben sei.

In dem Kaufvertrag wurde auf erhöhte Feuchtigkeitswerte an den Kelleraußenwänden hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausgeführt, es sei durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beabsichtigt, auf der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung einen Beschluss zur Beseitigung der Undichtigkeit an den Kelleraußenwänden zu fassen. Der in der Folgezeit gefasste Beschluss über die Sanierung der Pfeiler, der tragenden Wände sowie der Kelleraußenwände auf Kosten der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaft focht die Beklagte erfolgreich an.

Der Kläger verlangte von der Beklagten Schadensersatz i.H. einer Verkehrswertminderung von 45.000 € und behauptete hierzu, er und seine Ehefrau seien von der Beklagten bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden. Die unzureichende Sanierung und darauf beruhende mangelnde Standfestigkeit des Hauses sei ebenso vorsätzlich verschwiegen worden wie Durchfeuchtungen im Kellergeschoss. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Auf die Revision des Klägers hob der BGH den Beschluss des KG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Gründe:
Die angenommene Alleinzuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG hätte bereits zur Verneinung der Prozessführungsbefugnis und damit zur Abweisung der Klage als unzulässig führen müssen. Davon abgesehen fällt der Klageanspruch schon mangels Gemeinschaftsbezogenheit nicht unter § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG.

Rechte auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum werden zwar bei dem nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Erwerb einer neu errichteten Wohnung vom Bauträger als gemeinschaftsbezogen qualifiziert, infolgedessen die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Solche Rechte begründen eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft; auch die Voraussetzungen für diese Ansprüche kann nur die Wohnungseigentümergemeinschaft schaffen. Diese Rechtsprechung dient u.a. dem Schutz des Schuldners, der davor bewahrt werden soll, von einem Wohnungseigentümer auf Nachbesserung und von einem anderen auf Minderung oder "kleinen" Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

Ob diese Grundsätze jedoch auch auf ausschließlich nach Kaufrecht zu beurteilende Veräußerungen gebrauchter Eigentumswohnungen übertragbar sind, wird nicht einheitlich beurteilt. Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen. Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und "kleinen" Schadensersatz jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG fallen, wenn - wie hier - eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart wurde. Gemeinschaftsbezogen i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG sind nur Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern.

Insofern kann die Gemeinschaftsbezogenheit nur bejaht werden, wenn schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen. Nach diesen Grundsätzen war die Gemeinschaftsbezogenheit vorliegend zu verneinen. Anders als bei Rechten auf Minderung und "kleinen" Schadensersatz, die aus der Verletzung der Herstellungsverpflichtung eines Bauträgers resultieren, bestehen jedenfalls bei dem Kauf gebrauchter Eigentumswohnungen, die unter Freizeichnung der Haftung für Sachmängel verkauft werden, typischerweise keine Interessen der Wohnungseigentümer oder des Verkäufers, die den von § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG angeordneten Eingriff in die Privatautonomie des Käufers rechtfertigen. Anders als bei einem Erwerb vom Bauträger existieren in aller Regel schon keine gleichgerichteten Ansprüche mehrerer Erwerber gegen einen einzigen Veräußerer.

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