11.02.2016

"Werdender Wohnungseigentümer" erst nach Übergabe der Wohnung

Als werdender Wohnungseigentümer ist nur anzusehen, wer  - neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch - den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat.

BGH 11.12.2015, V ZR 80/15
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war Eigentümer eines mit einem Altbau bebauten Grundstücks, das er in fünf Wohneinheiten aufteilte. Er verkaufte die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 an eine Erwerberin, die Wohnung Nr. 3 an eine zweite und die Wohnungen Nr. 4 und Nr. 5 an eine dritte Erwerberin. In den jeweiligen Erwerbsverträgen verpflichtete er sich zu einer Sanierung des gesamten Gebäudes. Zu Gunsten der Erwerberinnen wurden Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Eine Umschreibung des Eigentums ist bislang nicht erfolgt. Die Wohnungen Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 wurden übergeben.

Im Zuge einer Erneuerung der Hauseingangstür im Juli 2012 erhielten die drei Erwerberinnen jeweils einen Schlüssel; die Parteien streiten darüber, wer die Auswechslung der Tür nebst Schloss veranlasste und ob auch der Beklagte einen Schlüssel erhielt. Die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 wurden nicht in der vereinbarten Frist bis zum 31.8.2012 fertiggestellt. Am 3.12.2012 erklärten deren Erwerberinnen gegenüber dem Beklagten die Teilkündigung der Bauträgerverträge, lehnten eine weitere Mängelbeseitigung ab und erhoben jeweils eine auf Auflassung gerichtete Klage. Eine einvernehmliche Übergabe dieser Wohnungen erfolgte nicht.

In der Eigentümerversammlung vom 3.4.2013 wurde eine Wohngeldzahlung ab April 2013 von 2,50 €/qm und eine Sonderumlage von 700 € je Wohneinheit für die vergangenen drei Monate des Geschäftsjahres beschlossen. Die Beschlüsse wurden bestandskräftig. Bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung hatten die jeweiligen Erwerberinnen in den Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 einige Einrichtungsgegenstände untergebracht, obwohl die Wohnungseingangstüren jedenfalls bis Anfang 2014 fehlten. Mit der Klage verlangt die Wohnungseigentümergemeinschaft von dem Beklagten für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 die Zahlung von insgesamt rd. 3.500 € nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Hauptforderung setzt sich aus der Sonderumlage (1.400 €) und den Hausgeldern für die Monate April bis Juli 2013 (rd. 2.100 €) zusammen.

Das AG wies die Klage ab; das LG gab ihr in vollem Umfang statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Es hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, dass das LG den Beklagten hinsichtlich der Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 als Wohnungseigentümer i.S.v. § 16 Abs. 2 WEG ansieht. Die mitgliedschaftliche Stellung ist im Jahr 2013 nicht auf die Erwerberinnen übergegangen, weil es an einer Übergabe der Wohnungen fehlt.

Als werdender Wohnungseigentümer ist ausschließlich anzusehen, wer (neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch) den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat. Daran fehlt es hier. Die mitgliedschaftliche Stellung kann nur insgesamt übergehen. Wird der Bauträger von den Kosten und Lasten des Wohnungseigentums befreit, verliert er zugleich das Stimm- und Anfechtungsrecht. Dass die Willensbildung in der Gemeinschaft auf die Erwerber übergeht, ist erklärtes Ziel der Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft, die dem Demokratisierungsinteresse der Erwerber Rechnung tragen soll.

Infolgedessen bedarf es der Übergabe der Wohneinheit, die der Bauträger als Verkäufer gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB schuldet; um diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, muss er dem Erwerber den unmittelbaren Besitz verschaffen. Wie das LG zu Recht hervorhebt, kann der Bauträger seine mitgliedschaftliche Stellung nicht ohne oder gegen seinen Willen verlieren und auf diese Weise aus der Gemeinschaft gedrängt werden. Ist die Übergabe erfolgt, ist es unerheblich, ob die vertraglichen Voraussetzungen hierfür vorlagen und ob darin im Hinblick auf die werkvertraglichen Pflichten eine Abnahme zu sehen ist. Die Belange der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen dem nicht entgegen. Insbesondere wird es dem Verband durch das Erfordernis der Übergabe nicht über Gebühr erschwert, zu ermitteln, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehat, also zu Eigentümerversammlungen eingeladen werden muss, dort das Stimmrecht ausüben darf und die Kosten und Lasten zu tragen hat.

Hat der Erwerber die Wohnung bereits bezogen, kann der Verband grundsätzlich von einer erfolgten Übergabe ausgehen, da eine solche dem Einzug (jedenfalls stillschweigend) in aller Regel vorausgeht. In diesem Fall kann der Käufer die Erfüllung seiner mitgliedschaftlichen Pflichten im Verhältnis zu dem Verband nicht unter Hinweis auf eine unterbliebene Übergabe verweigern, weil dies im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten - nämlich dem Einzug in die Wohnung - stünde. Nur wenn der Bauträger seinerseits plausible Gründe dafür mitteilt, dass der Einzug ohne vorherige Übergabe erfolgt ist, ist im Zweifel die Grundbucheintragung maßgeblich und infolgedessen der Bauträger weiterhin als Wohnungseigentümer anzusehen.

Ist die Wohnung (wie im Streitfall) noch nicht bezogen, ist schon die Besitzbegründung durch den Erwerber als solche nach außen nicht ohne weiteres erkennbar. Es obliegt den Parteien des Bauträgervertrags, dem Verband eine schon im Vorfeld des Einzugs erfolgte einvernehmliche Übergabe mitzuteilen. Im Zweifel ist auch hier die Grundbucheintragung maßgeblich und der Bauträger als Wohnungseigentümer anzusehen. Bei einer gegen ihn gerichteten Zahlungsklage hat der Bauträger darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein Übergang der mitgliedschaftlichen Stellung auf den Erwerber anzunehmen ist. I.Ü. ist der Bauträger im Falle einer verbotenen Eigenmacht durch die fortbestehende Haftung im Außenverhältnis nicht schutzlos; ihm stehen seine Rechte als eingetragener Eigentümer und Besitzstörungsansprüche zu sowie ggf. Regressansprüche im Innenverhältnis zu seinen Vertragspartnern.

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