Wie weit geht das Totenfürsorgerecht?
BGH v. 26.2.2019 - VI ZR 272/18Der im Jahr 2014 verstorbene Vater der Klägerin ist auf einem Friedhof in einer Baumgrabstätte bestattet. Diese sind kreisförmig um einen Baum angeordnet und jeweils durch eine Gedenktafel gekennzeichnet. Die Fläche, auf dem sich der Baum und die Gedenktafeln befinden, ist einheitlich bepflanzt und wird durch einen zweireihigen Kreis von Pflastersteinen eingefasst. Die von der Gemeinde als Satzung beschlossene Friedhofsordnung untersagt u.a. das Ablegen von Grabschmuck bzw. anderen Gegenständen auf der Grabstätte.
An den Baumgrabstätten ist ein Schild aufgestellt, auf dem nochmals explizit darauf hingewiesen wird, dass Grabschmuck innerhalb der Grab-Anlagen sowie ungeeignete Gegenstände vom Friedhofspersonal beseitigt würden.
Die Beklagte ist die Nichte der Klägerin. Sie hatte im Jahr 2016 Strafanzeige wegen Diebstahls gegen die Klägerin gestellt, weil diese von ihr an der Grabstätte abgelegte Gegenstände entfernt habe. Dabei erklärte die Beklagte unter Vorlage von Lichtbildern, dass sie auf der einheitlich bepflanzten Fläche an der Gedenktafel und auf der gepflasterten Fläche davor zwei Topfschalen, eine Steckvase, dreizehn Messingrosen, zwei Topfpflanzen, hochwertige Kunststoffblumen, ein rotes Holzherz, zwei weiße Herzen, fünf Keramikübertöpfe, ein Weihnachtsherz, eine Laterne und drei Dekorationsengel abgelegt habe.
Durch ein Rechtsanwaltsschreiben forderte die Klägerin die Beklagte auf, von ihr auf dem Grab abgestellte Gegenstände zu entfernen, das Abstellen zukünftig zu unterlassen und eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben sowie die durch die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts verursachten Kosten zu begleichen. Das AG hat die auf Unterlassung der Ablage von Gegenständen jeglicher Art und Zahlung von 490 € Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LG der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB, es zu unterlassen, auf dem Baumgrab innerhalb der bepflanzten Grabanlage Gegenstände und auf der gepflasterten Fläche vor der Grabstätte Kunststoffblumen sowie Plastik- oder Glasgegen-stände abzulegen.
Die Beklagte hat durch die Ablage von Gegenständen das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der Klägerin auf Totenfürsorge verletzt. Dieses umfasst u.a. das Recht, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen. Es schließt die Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbilds einer Grabstätte ein. Das Totenfürsorgerecht beinhaltet darüber hinaus die Befugnis zu deren Pflege und zur Aufrechterhaltung deren Erscheinungsbilds. Denn die Grabstätte dient nicht nur der Aufnahme des Sargs oder der Urne; als Ort des Erinnerns und Gedenkens an den Verstorbenen ist ihre Bedeutung vielmehr auch in die Zukunft gerichtet.
Das Totenfürsorgerecht ist ein sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB, das im Falle seiner Verletzung - wie im vorliegenden Fall - Ansprüche auf Schadensersatz sowie auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen entsprechend § 1004 BGB begründen kann. Der vom Verstorbenen Berufene ist berechtigt, den Willen des Verstorbenen notfalls auch gegen den Willen von (weiteren) Angehörigen zu erfüllen. Wenn und soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar ist, kann der Totenfürsorgeberechtigte über die Art der Bestattung entscheiden und den Ort der letzten Ruhestätte auswählen. Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen genügt es, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann.
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