13.09.2016

Wie weit geht die Verkehrssicherungspflicht in Apotheken?

Apotheken treffen geringere Verkehrssicherungspflichten als etwa Kaufhäuser oder sonstige Einrichtungen mit großem Publikumsverkehr. Schließlich herrscht in Apotheken regelmäßig kein Publikumsandrang, der die Einsehbarkeit des Bodenbereichs für Kunden signifikant einschränkt.

AG München 24.6.2016, 274 C 17475/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Februar 2015 bei winterlicher Witterung an einem Nachmittag die Apotheke des Beklagten aufgesucht. Die Wege zur Apotheke waren teilweise mit Schnee und Schneematsch bedeckt. Am Eingangsbereich der Apotheke befanden sich zwei Fußmatten mit einer Lauflänge von jeweils ca. 1,40 m. Eine davon war etwas gröber und lag vor der Eingangstür, die andere war etwas feiner und befand sich im Innenbereich. Vor den Verkaufstheken lagen keine Fußmatten und es waren in der Apotheke auch keine Warnschilder hinsichtlich einer etwaigen Rutschgefahr aufgestellt.

Eine Reinigungskraft reinigte zu diesem Zeitpunkt den Boden. Die Klägerin begab sich zu einer Verkaufstheke und ließ sich beraten. Als sie für einen Blick auf den Computer um die Theke herumgehen wollte, fiel sie hin und stürzte auf ihren rechten Arm und verletzte sich schwer. Die Ärzte stellten eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich des Radiusköpfchens des rechten Ellenbogens und eine Fraktur mit Gelenkbeteiligung fest, was eine OP zur Folge hatte.

Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da er entweder Fußmatten vor den Theken hätte auslegen müssen oder ständig und vollflächig von Kunden eingebrachte Nässe durch geeignete Vorkehrungen hätte entfernen müssen. Schließlich wäre aufgrund der Rutschgefahr auch die Aufstellung eines Warnschildes notwendig gewesen. Sie verlangte u.a. ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 1.500 €.

Das AG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gem. §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2 BGB, weil der Beklagte keine vertragliche Schutzpflicht hinsichtlich der Klägerin verletzt hatte.

Apotheken treffen geringere Verkehrssicherungspflichten als etwa Kaufhäuser oder sonstige Einrichtungen mit großem Publikumsverkehr. Schließlich herrscht in Apotheken regelmäßig kein Publikumsandrang, der die Einsehbarkeit des Bodenbereichs für Kunden signifikant einschränkt. Außerdem gehen von den Auslagen einer Apotheke keine besonderen Ablenkungswirkungen aus. Hinzu kommt, dass auch das Warensortiment einer Apotheke regelmäßig keine erhebliche Sturzgefahr für Kunden hervorruft.

Besucher eines Geschäftes müssen im Winter eine gewisse Feuchtigkeit des Fußbodens hinnehmen. Eine solche lässt sich nämlich gerade im Winter bei Schneematsch auch nicht durch häufiges Aufwischen ganz beseitigen, da sich infolge des Publikumsverkehrs stets alsbald wieder eine neue Feuchtigkeitsschicht bildet, bevor noch die alte Feuchtigkeit aufgetrocknet ist. Deshalb kann lediglich ein Aufwischen in angemessenen Zeiträumen gefordert werden. Dem war der Beklagte allerdings nachgekommen, denn er hatte zwei Fußmatten am Eingangsbereich ausgelegt, die verhindern sollten, dass Kunden Feuchtigkeit und Verunreinigungen von draußen hineintragen. Dadurch war zumindest gewährleistet, dass ein Teil des Schmutzes und der Feuchtigkeit erst gar nicht in die Apotheke gelangte. Außerdem hatte der Beklagte eine Reinigungskraft extra dafür angestellt, damit diese während der Stoßzeiten von ca. 12 Uhr bis 17 Uhr Verunreinigungen und Feuchtigkeit umgehend beseitigen konnte.

Die Tatsache, dass keine Fußmatten vor der Verkaufstheke ausgelegt waren, begründete ebenfalls keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Denn an der Theke besteht keine erhöhte Ausrutschgefahr. Im Gegenteil ist das Risiko dort relativ gering, da die Kunden sich während des Beratungsgesprächs regelmäßig wenig bewegen. Unschädlich war letztlich auch, dass der Beklagte kein Warnschild aufgestellt hatte. Denn selbst wenn trotz der Reinigung eine Rutschgefahr bestanden hätte, wäre ein Warnschild entbehrlich gewesen, weil mit einer Rutschgefahr beim Betreten eines Geschäfts im Winter gerechnet werden muss und der Besucher zu erhöhter Vorsicht verpflichtet ist.

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