Wiederbeschaffungsaufwand für ein beschädigtes Fahrzeug: Wonach richten sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten?
BGH 18.7.2017, VI ZR 465/16Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem im Übrigen regulierten Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet, in Anspruch. Die Klägerin hatte hinsichtlich ihres bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs den Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. rd. 7.600€ (Wiederbeschaffungswert von rd. 23.700 € abzgl. Restwert i.H.v. rd. 16.100 €) sowie weitere durch das Schadensereignis verursachte Kosten i.H.v. rd. 1.700 € geltend gemacht und von der Beklagten ersetzt erhalten. Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von rd. 9.300 € (Wiederbeschaffungsaufwand zzgl. weiterer Kosten) bezahlte die Beklagte an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. rd. 750 €.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Rechtsanwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert von rd. 25.400 € zu berechnen, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert - ohne Abzug des Restwerts - und den weiteren Kosten zusammensetze. Es stünden ihr daher noch weitere rd. 400 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Diese machte sie mit der Klage geltend.
Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LG hat zu Recht den Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, unter Abzug des Restwerts des Unfallfahrzeugs bestimmt.
Dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Die vorliegend - von der Klägerin gegenüber der Beklagten nur in diesem Umfang geltend gemachte - Forderung auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) ist berechtigt. Der für den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert richtet sich daher nach dem Wiederbeschaffungsaufwand und nicht nach dem ungekürzten Wiederbeschaffungswert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden an seinem Fahrzeug nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, nur den Wiederbeschaffungswert abzgl. des Restwerts, also den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen. Denn es ist zunächst nach sachgerechten Kriterien festzustellen, in welcher Höhe dem Geschädigten angesichts des ihm verbliebenen Restwerts seines Fahrzeugs durch den Unfall überhaupt ein Vermögensnachteil erwachsen ist.
Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten Differenzhypothese grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Unabhängig davon, wie der Geschädigte - was den Schädiger grundsätzlich nichts angeht - nach dem Unfall mit dem Restwert verfährt, ist bei dem so gebotenen Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Unfall festzustellen, dass in Höhe des verbliebenen Restwerts kein Schaden entstanden ist. Dies gilt auch im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens. Die von der Revision sowie von Teilen der untergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertretene Gegenansicht, dem Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten sei der volle Wiederbeschaffungswert zugrunde zu legen, teilt der Senat nicht.
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