Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunternehmeranteil
KurzbesprechungAO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2
Im Streitfall ging es um die zeitliche Zuordnung der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen. Eine AG erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag v. 13.01.2000 alle Kommanditanteile an einer KG und sämtliche Geschäftsanteile der Komplementär - GmbH. Der Erwerb erfolgte in zwei Schritten:
- Zunächst wurden Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises 75 % des Kommanditkapitals erworben.
- Zum 31.1.2001 gingen sodann die restlichen Kommanditanteile in Höhe von 25 % über.
Das FA war der Auffassung, der gesamte, sich aus der Veräußerung der Kommanditanteile ergebende Veräußerungsgewinn sei bereits im Jahr 2000 zu versteuern. Hiergegen legten die Gesellschafter der KG Einspruch ein mit der Begründung, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns 2000 sei lediglich von einer Veräußerung von nur 75 % der Anteile auszugehen.
Diese Rechtsauffassung vertritt auch der BFH und entschied, dass die von den KG - Gesellschaftern erzielten Gewinne aus der Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile bereits im Rahmen der Gewinnfeststellung für das Streitjahr 2000 vollständig als Veräußerungsgewinne i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen sind. Denn alle drei ehemaligen Kommanditisten der KG haben bereits im Streitjahr nicht nur das Eigentum an ihren Mitunternehmeranteilen zu 75 %, sondern darüber hinaus auch das wirtschaftliche Eigentum an den restlichen 25 % ihrer Mitunternehmeranteile an die AG übertragen.
Der steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft kann bereits vor der zivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils liegen, wenn der Erwerber aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihn übergegangen sind.
Denn auch die steuerrechtliche Zurechnung eines Gesellschaftsanteils kann nach den Maßstäben des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO von der zivilrechtlichen Gesellschafterstellung abweichen. Das wirtschaftliche Eigentum setzt voraus, dass der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Erfüllt ein anderer als der zivilrechtliche Gesellschafter die Voraussetzungen eines Mitunternehmers, weil er anstelle des Gesellschafters vollständig dessen gesellschaftsrechtliche Position einnehmen kann, die es ihm ermöglicht, Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative zu entfalten, ist diesem der Anteil an der Personengesellschaft zuzurechnen. Denn er ist in der Lage, den zivilrechtlichen Gesellschafter wirtschaftlich auf Dauer aus dessen Stellung zu verdrängen.
Dabei ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen.
Mitunternehmerrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg und Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.
Die Merkmale der Mitunternehmerschaft sind unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums entsteht der Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Dieser Gewinn ist bei Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils auch dann im Kalenderjahr des Ausscheidens des Mitunternehmers zu erfassen, wenn die Mitunternehmerschaft - wie im Streitfall die A KG - ihren Gewinn für ein abweichendes Wirtschaftsjahr ermittelt, denn § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ist auf den ausscheidenden Mitunternehmer nicht anwendbar. Der Zeitpunkt der Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils ist deshalb spätestens in dem Kalenderjahr anzunehmen, in dem der Erwerber in die Lage versetzt wird, den zivilrechtlichen Gesellschafter wirtschaftlich auf Dauer aus dessen Stellung zu verdrängen.
Im Streitfall hatte die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die erwerbende AG bereits im Laufe des Streitjahrs 2000 in der Lage war, die Gesellschafter der KG (auch) hinsichtlich der verbleibenden 25 % ihrer ursprünglichen Kommanditanteile aus ihrer insoweit noch fortbestehenden Stellung als zivilrechtliche Gesellschafter vollständig zu verdrängen, und damit wirtschaftliche Eigentümerin (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) der streitbefangenen Anteile geworden war.
Das Mitunternehmerrisiko war bereits im Streitjahr 2000 auf die Erwerberin übergegangen, da die Altgesellschafter der KG nach dem Übergangsstichtag in 2000 kein Mitunternehmerrisiko mehr getragen hatten. Denn sie hatten den mit ihren "vollständigen" Kommanditanteilen verbundenen Gewinnanteil für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum des 31. Januar 2001 an die AG abgetreten, die die Abtretungen angenommen hatte. Die Abtretungen sollten zwar dinglich wirksam werden, sobald die an die AG veräußerten Kommanditanteile der 1. Tranche dinglich auf sie übergegangen sind. Allerdings standen diese Abtretungen unter vier aufschiebenden Bedingungen, nämlich die Überweisung des Kaufpreises für 75 % der Kommanditanteile, eine Nichtuntersagungsverfügung des Bundeskartellamts, die Aushändigung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft der AG an die Anwälte der Verkäufer sowie die Eintragung der AG als Rechtsnachfolgerin bezüglich der 75 %igen Kommanditanteile im Handelsregister der KG. Im Streitfall waren alle Bedingungen jedoch bereits im Streitjahr 2000 erfüllt und somit die Gewinnanteile für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 31.1.2001 ebenfalls bereits im Streitjahr 2000 vollständig an die AG abgetreten.
Auch am Verlust nahmen die Altgesellschafter in 2001 nicht mehr teil. Nach den getroffenen Vereinbarungen stand das anfallende Ergebnis allein der AG zu, so dass die übrigen Gesellschafter weder an einem Gewinn noch an einem Verlust teilnahmen.
Die Altgesellschafter konnten auch keine Mitunternehmerinitiative mehr entwickeln. Vielmehr hatte die AG als Erwerberin auch hinsichtlich der zivilrechtlich bis 2001 fortbestehenden Kommanditanteile der Altgesellschafter an deren Stelle Mitunternehmerinitiative entfaltet. Denn die den Veräußerern hinsichtlich ihrer reduzierten Mitunternehmeranteile zustehenden Mitwirkungsrechte konnten faktisch nur noch zugunsten der AG ausgeübt werden.
BFH, Urteil vom 1.3.2018, IV R 15/15, veröffentlicht am 11.7.2018