06.06.2013

Wohnungseigentümer können nicht durch Mehrheitsbeschluss zur Zustimmung einer Teilveräußerung verpflichtet werden

In Fällen, in denen einzelne Wohnungseigentümer einer Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht zustimmen, können sie nicht durch einen Mehrheitsbeschluss dazu verpflichtet werden. Da eine solche Veräußerung die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft betrifft, stellt sie keine Verwaltung i.S.v. § 21 Abs. 3 WEG dar und kann auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein.

BGH 12.4.2013, V ZR 103/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beklagte ist ein Mitglied. Das im Miteigentum stehende Grundstück ist ca. 5.500 qm groß. Der Grundstücknachbar errichtete Mitte der 90"iger Jahre des letzten Jahrhunderts eine Mauer zur Abgrenzung der beiden Grundstücke; ein Teilstück der Mauer setzte er versehentlich auf das Grundstück der Wohnungseigentümer. Nachdem dieser Umstand bekannt geworden war, beschlossen die Wohnungseigentümer im Juli 2003 mehrheitlich, die durch die Mauer abgetrennte gemeinschaftliche Teilfläche von ca. 7 qm für 5.000 € an den Grundstücksnachbarn zu verkaufen.

Im April 2005 wurde der entsprechende notarielle Grundstückskaufvertrag über die Teilfläche geschlossen. Darin wurde auch auf die erforderliche Genehmigung des Vertrags durch alle Wohnungs- und Teileigentümer hingewiesen. Mit Ausnahme der Beklagten genehmigten alle Eigentümer den Verkauf. Die Beklagte befürchtete, dass der Verkauf es dem Nachbarn erleichtern könnte, den bislang unverstellten Blick aus ihrer Wohnung zu verbauen.

Im Mai 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer, den Verkauf zu vollziehen und - sofern der Mehrheitsbeschluss für die Vollziehung im Grundbuch nicht ausreiche - die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer gegebenenfalls gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Das Grundbuchamt lehnte die Umschreibung ab. Das AG gab der Klage, mit der die Klägerin die Beklagte zu der Erteilung der Genehmigung zum Kaufvertrag verurteilen lassen wollte statt. Das LG hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die übrigen Miteigentümer konnten von der Beklagten nicht die Erteilung der Genehmigung verlangen.

Weder aus dem Beschluss aus Juli 2003 noch aus Mai 2009 ließ sich ein solcher Anspruch herleiten. Stimmen einzelne Wohnungseigentümer einer Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht zu, können sie nicht durch einen Mehrheitsbeschluss dazu verpflichtet werden. Da eine solche Veräußerung die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft betrifft, stellt sie keine Verwaltung i.S.v. § 21 Abs. 3 WEG dar und kann auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein. Folglich bestand hier auch für die schuldrechtliche Verpflichtung zu einer Veräußerung keine Beschlusskompetenz. Aus dem gleichen Grund konnte der Anspruch nicht auf § 10 Abs. 2 S. 3 WEG gestützt werden.

Da das Wohnungseigentumsgesetz ein abschließendes Regelungskonzept enthält, konnte der Anspruch auch nicht auf § 745 Abs. 2 BGB gestützt werden. Während § 747 S. 2 WEG, wonach eine Verfügung über das gemeinschaftliche Grundstück nur gemeinschaftlich erfolgen kann, auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern gilt, wird § 745 BGB durch das Wohnungseigentumsgesetz verdrängt.

Nach der BGH-Rechtsprechung kann zwar in besonders gelagerten Ausnahmefällen aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB eine Verpflichtung der Miteigentümer zur Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Verweigerung der Zustimmung als grob unbillig erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen waren zu verneinen. Außergewöhnliche Gründe, die einen Mitwirkungsanspruch begründen könnten, sind nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Handlungsalternative sinnvoller als andere erscheint. Sprechen vor allem schon keine außergewöhnlichen Umstände für das Begehren der übrigen Wohnungseigentümer, kommt es nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Beklagten hinsichtlich einer möglichen Bebauung des Nachbargrundstücks sachlich begründet sind oder nicht.

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