07.11.2012

Wohnungseigentümergemeinschaft kann Wohnungseigentümern nicht per Mehrheitsbeschluss gesamtschuldnerische Haftung auferlegen

Es liegt in der Kompetenz der Wohnungseigentümer, die Aufnahme eines Kredites zur Deckung des Finanzbedarfs der Wohnungseigentümergemeinschaft zu beschließen. Es fehlt allerdings jedenfalls seit der vom Gesetzgeber nachvollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) an der Kompetenz, den Wohnungseigentümern eine gesamtschuldnerische Haftung durch Mehrheitsbeschluss aufzubürden.

BGH 28.9.2012, V ZR 251/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Eigentümerversammlung vom 29.4.2009 wurde unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 2 mit 14 von 17 Stimmen die Gesamtsanierung der Wohnanlage mit einem Aufwand von insgesamt 550.000 € beschlossen. Die Finanzierung sollte "über staatliche Zuschüsse und zinsbegünstigte Kfw-Darlehen" erfolgen, mit einer Zinsbindung von 10 Jahren und einer Laufzeit von 20 Jahren. Die Finanzierungskosten sollten regelmäßig in den Wirtschaftsplan eingestellt und in monatlichen Teilbeträgen von den Wohnungseigentümern "gemäß den vorliegenden Einzelauswertungen" getragen werden. Der Beschluss wurde nicht angefochten.

Auf einer weiteren Versammlung am 6.11.2009 wurde unter TOP 3 mehrheitlich die Zurückweisung des Antrags des Klägers beschlossen, ihn von jeglicher Haftung aus der Finanzierung freizustellen. Zur Begründung seines Antrags hatte der Kläger vorgetragen, dass er seinen Anteil aus eigenen Mitteln aufbringen und deshalb an der beschlossenen Finanzierung nicht teilnehmen wolle.

AG und LG wiesen die am 30.11.2009 eingereichte Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 29.4.2009 zu TOP 2 und die Ungültigkeitserklärung des Beschlusses vom 6.11.2009 zu TOP 3 beantragte, ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Beschluss vom 29.4.2009 zu TOP 2 ist bestandskräftig. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Zutreffend bejaht das LG insbes. die Beschlusskompetenz für eine Kreditaufnahme. Die Befugnis der Wohnungseigentümer, den Finanzbedarf der Wohnungseigentümergemeinschaft auch durch die Aufnahme von Darlehen zu decken, ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem WEG, wird von diesem jedoch vorausgesetzt. Über die Deckung des Finanzbedarfs des nunmehr rechtsfähigen Verbandes (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) durch Beschluss zu befinden, ist Sache der Wohnungseigentümer. Dass hierzu auch die Entscheidung darüber gehört, ob der Bedarf durch einen Rückgriff auf vorhandene Rücklagen, durch die Erhebung von Sonderumlagen oder durch die Aufnahme von Darlehen gedeckt werden soll, hat der Senat bereits für die Rechtslage vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft entschieden.

Für die Rechtslage nach der Reform des WEG gilt nichts anderes. Zwar ist die Frage, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme eines Kredites, bei dem es nicht nur um die Deckung eines kurzfristigen Finanzbedarfes in überschaubarer Höhe geht, den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, teils heftig umstritten. Darauf kommt es jedoch vorliegend nicht an, weil ein Beschluss zur Aufnahme eines nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Kredits nach der Systematik des WEG nur auf fristgerecht erhobene Anfechtungsklage hin (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) zu beanstanden ist. Daran fehlt es hier, denn der Finanzierungsbeschluss ist bereits bestandskräftig.

Soweit der Kläger argumentiert, es fehle jedenfalls an der Kompetenz, die Übernahme einer gesamtschuldnerischen Haftung durch die Wohnungseigentümer mehrheitlich zu beschließen, ist das im rechtlichen Ausgangspunkt zwar richtig. Spätestens seit der vom Gesetzgeber nachvollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) fehlt es an einer dahingehenden Kompetenz. Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nur noch in Betracht, wenn sich die einzelnen Wohnungseigentümer selbst neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichten. Der Beschluss enthält jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer begründet werden sollte.

Zu Recht hat das LG auch die gegen den den Antrag des Klägers zurückweisenden Beschluss vom 6.11.2009 zu TOP 3 gerichtete Anfechtungsklage für unbegründet erachtet. Ein Wohnungseigentümer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass die Ausführung eines bestandskräftigen Beschlusses unterbleibt, weil die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vorrangig den Beschlüssen der Wohnungseigentümer entsprechen muss (§ 21 Abs. 4 WEG); ein bestandskräftiger Beschluss schließt zumindest den Einwand aus, die Beschlussfassung habe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen. Etwas anders gilt nur dann, wenn schwerwiegende Gründe etwa bei einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - die Durchführung der bestandskräftig beschlossenen Maßnahme als treuwidrig (§ 242 BGB) erscheinen lassen. Das ist hier jedoch nicht ersichtlich.

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