08.05.2012

Wohnungseigentümergemeinschaften dürfen Ansprüche aus alten Abrechnungen nicht neu begründen

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht berechtigt, bereits entstandene, aber noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers mit Stimmenmehrheit erneut zu beschließen und so neu zu begründen. Ein dennoch gefasster Beschluss ist in solchen Fällen wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig.

BGH 9.3.2012, V ZR 147/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind seit Mai 2006 je zur Hälfte Eigentümer einer Eigentumswohnung und eines Stellplatzes. Im Mai 2008 beschloss die Eigentümergemeinschaft die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen für das Jahr 2007. Die Einzelabrechnungen der Beklagten enthielten unter der Bezeichnung "Abrechnung 2006" Rückstände aus dem Jahr 2006 von rund 214 € für die Wohnung und rund 500 € für den Stellplatz.

AG und LG gaben der auf Zahlung dieser Beträge gerichteten Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Klage hinsichtlich der angeblichen Zahlungsrückstände ab.

Die Gründe:
Die Beklagten waren aufgrund des Beschlusses über die Jahresabrechnung 2007 nicht verpflichtet, die darin ausgewiesenen Rückstände für das Jahr 2006 zu zahlen.

Zu Unrecht hatte das LG angenommen, die Einbeziehung von Vorjahresrückständen in eine Jahresabrechnung stehe einem bloßen Abrechnungsfehler gleich und habe deshalb nur die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit des Beschlusses über die Abrechnung zur Folge. Ein Abrechnungsfehler liegt vor, wenn die Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs unzutreffend erfasst oder in unrichtiger Weise auf die Wohnungseigentümer verteilt wurden. Davon zu unterscheiden ist die Aufnahme von Positionen in die Jahresabrechnung, die - wie Beitragsrückstände - ihrer Art nach generell nicht zu den Bestandteilen einer Abrechnung i.S.v. § 28 Abs. 3 WEG gehören. Fehlt den Wohnungseigentümern hinsichtlich solcher abrechnungsfremden Positionen die Kompetenz, Zahlungsverpflichtungen durch Mehrheitsbeschluss zu begründen, hat deren Aufnahme in die Jahresabrechnung die Nichtigkeit des darauf bezogenen Teils des Beschlusses zur Folge.

Solche kompetenzüberschreitenden Regelungen waren in dem hier zu beurteilenden Beschluss über die Jahresabrechnung 2007 enthalten. Die Haftung eines Wohnungseigentümers für die Rückstände seines Rechtsvorgängers kann nur durch Vereinbarung, nicht aber durch Mehrheitsbeschluss begründet werden. Daraus folgt, dass ein Beschluss, der zu einer solchen Haftung führt, mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig ist.

Nichts anderes galt hier, wenn es sich bei den Rückständen um Beiträge aus dem Jahr 2006 handeln sollte, die nach dem Eigentumserwerb der Beklagten fällig geworden und daher von ihnen zu tragen waren. Solche Rückstände hätten ihre Grundlage entweder in dem Wirtschaftsplan 2006 (Vorschüsse) oder in der Jahresabrechnung 2006 (Abrechnungsspitze). Eine erneute Beschlussfassung über sie im Rahmen der Jahresabrechnung 2007 bedeutete deshalb die Neubegründung einer bestehenden Schuld der Beklagten durch Mehrheitsbeschluss. Hierzu fehlte den Wohnungseigentümern aber die Kompetenz. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 28 Abs. 5 WEG, denn diese Vorschrift berechtigt nur zur Festlegung von Vorschüssen für die Zukunft und zur Abrechnung der im abgelaufenen Wirtschaftsjahr angefallenen Kosten.

Linkhinweis:

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