02.08.2011

Zu dem auf drei Jahre begrenzten Basisunterhalt des § 1570 BGB

Hält ein ehevertraglich vereinbarter Verzicht auf nachehelichen Unterhalt der richterlichen Ausübungskontrolle nicht stand, so muss die anzuordnende Rechtsfolge im Lichte des Unterhaltsrechts und damit auch der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform und deren Änderungen gesehen werden. Deshalb ist zu berücksichtigen, dass § 1570 BGB nur noch einen auf drei Jahre begrenzten Basisunterhalt vorsieht, der aus kind- und elternbezogenen Gründen verlängert werden kann.

BGH 2.2.2011, XII ZR 11/09
Der Sachverhalt:
Der 1966 geborene Antragsteller und die 1965 geborene Antragsgegnerin, beide deutsche Staatsangehörige, heirateten im Mai 1994. Aus der Ehe sind drei Kinder, geboren 1996, 1998 und 2002, hervorgegangen, die bei der Mutter leben. Vor Schließung der Hochzeit hatten die Parteien einen Ehevertrag geschlossen, durch den sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf Unterhalt verzichteten. Für den Scheidungsfall verpflichtete sich der Antragsteller, der Antragsgegnerin das Eigentum an einem Mehrfamilienhaus zu übertragen, das er von seiner Großmutter erhalten hatte.

Der Antragsteller befand sich zur Zeit der Eheschließung noch in der juristischen Referendarausbildung, während die Antragsgegnerin ihr Studium bereits beendet hatte (Diplom-Volkswirtin) und seit August 1993 im Außendienst für eine Versicherung tätig war. Die Beschäftigung unterbrach sie wegen der bevorstehenden Geburt des ersten Kindes. Der Antragsteller arbeitete nach dem zweiten Staatsexamen zunächst für verschiedene Rechtsanwaltskanzleien und nahm im Oktober 1998 eine Stelle als Justiziar in der Schweiz an. Im April 1999 zog die Antragsgegnerin mit den beiden älteren Kindern ebenfalls in die Schweiz, wo die Parteien nach wie vor leben.

Das AG schied die Ehe der Parteien, wies die Anträge auf Kindes- und Ehegattenunterhalt ab und sprach aus, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Das KG verurteilte den Antragsteller zur Zahlung einer mtl. Unterhaltsrente von 650 €. Gegen die Entscheidung zum Unterhalt legten beide Parteien Revision ein. Die Revision der Antragsgegnerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg; auf die Revision des Antragsstellers hob der BGH das Berufungsurteil auf, soweit der Antragsteller über den 31.1.2012 hinaus zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verurteilt worden ist, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.

Die Gründe:
Der Antragsteller wendet sich mit Erfolg gegen eine Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung über den 31.1.2012 hinaus.

Wenn die Berufung eines Ehegatten auf den Ausschluss einer Scheidungsfolge der Ausübungskontrolle nicht standhält, so wird nicht notwendigerweise die vom Gesetz vorgesehene, aber vertraglich ausgeschlossene Scheidungsfolge in Vollzug gesetzt. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Dabei darf er den durch den Ehevertrag benachteiligten Ehegatten nicht besser stellen, als dieser ohne die vertragliche Regelung stünde.

Die Parteien hatten hier gegenseitig auf Unterhalt verzichtet. Da die von ihnen gewollten Rechtsfolgen nur an die veränderte tatsächliche oder rechtliche Lage angepasst werden dürfen, bilden somit die gesetzlichen Kriterien des § 1570 BGB, auf den die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch auf Grund der Betreuung der Kinder stützt, die Obergrenze. Die im Rahmen der Ausübungskontrolle anzuordnende Rechtsfolge muss deshalb im Lichte des Unterhaltsrechts, damit aber auch der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform und deren Änderungen gesehen werden.

§ 1570 BGB sieht nunmehr einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt vor, der aus kind- und elternbezogenen Gründen verlängert werden kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, ist der Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben worden. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Schule oder eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe berufen.

Ob im vorliegenden Fall kind- oder elternbezogene Gründe vorliegen, die auch nach dem 31.1.2012 eine weitgehende Freistellung der Antragsgegnerin von einer Erwerbstätigkeit rechtfertigen, hat das KG nicht festgestellt. Ebenso wenig verhält es sich zu der Frage, ob für die Antragsgegnerin eine realistische Chance besteht, bei weitergehender Erwerbsobliegenheit ein höheres Einkommen als die ihr angerechneten 400 € mtl. zu erzielen. Ohne derartige Feststellungen kann die im Wege der Ausübungskontrolle angeordnete Unterhaltszahlung aber nicht über den 31.1.2012 hinaus Geltung beanspruchen. Die Sache war an das KG zurückzuverweisen, das die notwendigen tatrichterlichen Feststellungen nachzuholen hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück