28.06.2016

Zu den Anforderungen an die Annahme einer Abrede über eine Haftungsbeschränkung bei einem Gefälligkeitserweis unter Nachbarn

Es kann nicht angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, grundsätzlich auf deliktische Schadensersatzansprüche verzichtet. Für die Annahme eines Haftungsverzichtes ist es erforderlich, dass der Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt, für ihn ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestehen würde und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders nahe liegend erscheinen lassen.

BGH 26.4.2016, VI ZR 467/15
Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte seinem Nachbarn zugesagt, während eines Kuraufenthaltes auf dessen Haus aufzupassen und den Garten zu bewässern. So bewässerte der Beklagte den Nachbargarten mit einem an eine Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch. Anschließend drehte er die am Schlauch befindliche Spritze zu, stellte aber nicht die Wasserzufuhr zum Schlauch ab. Infolgedessen löste sich eines Nachts der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze. In der Folge trat aus dem Schlauch eine erhebliche Menge Leitungswasser aus, lief in das Gebäude des Nachbarn und führte zu Beschädigungen im Untergeschoss.

Die Klägerin ist eine Versicherung. Sie hatte als Gebäudeversicherer des Nachbarn den Schaden reguliert. Später machte sie aus übergegangenem Recht einen Anspruch i.H. des Zeitwertschadens von rund 11.691 € gegenüber dem Beklagten geltend. Dieser ist für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert. Der Privathaftpflichtversicherer lehnte jedoch eine Regulierung ab.

Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, als er den Wasserhahn nicht wieder verschlossen habe. Er hafte zudem auch bei einfacher Fahrlässigkeit, da von einer Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht auszugehen sei.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Beklagten zurück.

Die Gründe:
Der Versicherungsnehmer der Klägerin und Nachbar des Beklagten hat gegen diesen einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, der gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen ist. Eine Beschränkung der Haftung des Beklagten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit lag nicht vor.

Es konnte nicht angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, grundsätzlich auf deliktische Schadensersatzansprüche verzichtet. Eine Haftungsbeschränkung kann sich zwar im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB ergeben. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung kann eine solche Beschränkung aber nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden, schließlich stellt sie eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluss der Abrede niemand gedacht hat.

Voraussetzung ist insofern, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. An diesen Voraussetzungen fehlt es regelmäßig, wenn der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten. Für die Annahme eines Haftungsverzichtes genügt es ferner nicht, dass der Schaden bei einem Gefälligkeitserweis entstanden ist und zwischen Schädiger und Geschädigtem enge persönliche Beziehungen bestehen. Vielmehr ist erforderlich, dass der Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt, für ihn ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestehen würde und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders nahe liegend erscheinen lassen.

Das Berufungsgericht hatte zwar richtig gesehen, dass die Tatsache, dass der Beklagte für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert ist, ein Umstand ist, der regelmäßig gegen die Annahme einer Haftungsbeschränkung spricht. Rechtsfehlerhaft war allerdings die weitere Begründung, dass allein das Bestehen einer Haftpflichtversicherung eine Haftung des Gefälligen nicht begründen könne. Denn begründet wird die Haftung vorliegend allein durch § 823 Abs. 1 BGB, während das Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers für die Frage von Bedeutung ist, ob die Haftung abweichend von der gesetzlichen Regelung ausnahmsweise wirksam beschränkt wurde.

Es fehlte vorliegend an der Voraussetzung eines nicht hinzunehmenden Haftungsrisikos. Wie das Berufungsgericht selbst anführte, birgt das Bewässern eines Gartens durch den Nachbarn wie jedes Tätigwerden für einen anderen Gefahrenmomente, ohne vordergründig gefahrgeneigt zu sein. Schließlich rechtfertigte auch der Umstand, dass der Schaden durch die Gebäudeversicherung bei der Klägerin abgedeckt war, nicht den Schluss auf eine Haftungsbeschränkung. Die Willensfiktion einer Haftungsbeschränkung ginge im Ergebnis zu Lasten der Klägerin und würde das Haftungsrisiko von dem Verursacher des Schadens und dessen Haftpflichtversicherung ungerechtfertigt auf die Versicherung des Geschädigten verschieben. Somit war das Berufungsurteil aufzuheben, ohne dass es darauf ankam, ob dem Beklagten grobe oder einfache Fahrlässigkeit zur Last zu legen war.

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