30.03.2015

Zu den Voraussetzungen eines Anerkenntnisses i.S.v. § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 n.F.

Der BGH hat sich mit den Voraussetzungen eines Anerkenntnisses i.S.v. § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 n.F. auseinandergesetzt. Danach bedarf es bei der Frage, ob ein Anerkenntnis vorliegt, stets einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, das heißt grundsätzlich einer Prüfung der einzelnen möglichen "Anerkennungshandlungen" des Schuldners.

BGH 27.1.2015, VI ZR 87/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein gesetzlicher Krankenversicherer, macht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten gegen den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 21.2.1987 geltend, bei dem die Versicherte der Klägerin schwer verletzt wurde. Die Einstandspflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin erbrachte der Versicherten unfallbedingt Krankenversicherungsleistungen, für die sie die Beklagte jeweils in Regress nahm. Diese erstattete der Klägerin entsprechend deren Abrechnungsschreiben die entstandenen Aufwendungen. Mit Schreiben vom 12.7.1999 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, sie verzichte zunächst bis zum 31.12.2010 auf die Einrede der Verjährung. Auch in der Zeit nach dem 12.7.1999 kam es zu vorbehaltlosen Zahlungen der Beklagten. Die letzte Abrechnung erfolgte unter dem 3.9.2010 und wurde ebenfalls vorbehaltlos bezahlt.

Als die Klägerin mit Schreiben vom 19.7.2011 erneut Krankheitskosten ihrer Versicherten i.H.v. insgesamt rd. 87.500 € abrechnete, erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung. Mit ihrer am 26.2.2013 zugestellten Klage beantragte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den künftig noch entstehenden Schaden der Versicherten aus dem Verkehrsunfall vom 21.2.1987 zu ersetzen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Auf der Grundlage der Feststellungen OLG lässt sich nicht beurteilen, ob die streitgegenständlichen Ansprüche bei Klageerhebung verjährt waren und die Beklagte deshalb die Zahlung verweigern darf. Es bleibt letztlich offen, weshalb die Verjährungsfrist bereits am 31.12.2005 abgelaufen sein soll, obwohl das OLG selbst davon ausgegangen ist, die Beklagte habe von 1999 bis 2010 Zahlungen geleistet, die an sich geeignet gewesen seien, die Verjährung zu unterbrechen oder neu beginnen zu lassen (§ 208 BGB a.F., § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.).

Der Auffassung des OLG, wegen des von der Beklagten am 12.7.1999 für die Zeit bis zum 31.12.2010 erklärten Verzichts auf die Einrede der Verjährung könne den danach von der Beklagten geleisteten Zahlungen insgesamt nicht die Bedeutung verjährungsunterbrechender bzw. -erneuernder Anerkenntnisse nach § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. beigemessen werden, kann nicht beigetreten werden. Es bedarf bei der Frage, ob ein Anerkenntnis vorliegt, stets einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, das heißt grundsätzlich einer Prüfung der einzelnen - möglichen - "Anerkennungshandlungen" des Schuldners. Daran fehlt es hier. Das OLG hat zudem bei seiner Würdigung, der Annahme eines Anerkenntnisses im Sinne der § 208 BGB a.F., § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. stehe der von der Beklagten erklärte Verzicht auf die Einrede der Verjährung entgegen, wesentliche Umstände nicht einbezogen.

Die in der Berufungsbegründung aufgeführte Vorkorrespondenz der Parteien bzw. ihrer Rechtsvorgänger bis zum Schreiben der Beklagtenseite vom 12.7.1999 durfte das OLG nicht unberücksichtigt lassen. Danach hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, nachdem sie bereits zuvor auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12.1997 verzichtet hatte, auf eine erneute Bitte der Rechtsvorgängerin der Klägerin um einen weiteren Einredeverzicht in einem Antwortschreiben vom 15.5.1997 erklärt, durch ihre vorangegangene letzte Zahlung sei die Verjährung für die nächsten drei Jahre unterbrochen, weshalb davon abgesehen werden könne, über einen längeren Zeitraum auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Mit der Erklärung, für einen Zeitraum von 11 1/2 Jahren auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, kam die Beklagte zudem einem Verlangen der Klägerin nach einem unbefristeten Verzicht entgegen. Unter diesen Umständen durfte das OLG nicht ohne weiteres davon ausgehen, die weitere vorbehaltlose Zahlung vom September 2010 wegen des bis zum 31.12.2010 befristeten Verjährungseinredeverzichts der Beklagten vom 12.7.1999 könne mangels eines Vertrauenstatbestandes nicht als Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB verstanden werden.

Die Frage, ob die vorbehaltlose Zahlung vom 3.9.2010 als Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB den Lauf der Verjährungsfrist über den 31.12.2010 hinaus bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 26.2.2013 verlängert hat, ist allerdings nur dann erheblich, wenn die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt dieser Zahlung noch nicht abgelaufen war. Denn ein Anerkenntnis kann mit verjährungsunterbrechender Wirkung (§ 208 BGB a.F., § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.) nur innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist abgegeben werden. Den Feststellungen des OLG ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Zahlung vom 3.9.2010 innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist erfolgt ist. Wäre die Verjährung zum Zeitpunkt der Zahlung vom 3.9.2010 bereits eingetreten gewesen, wäre die Beklagte nach Ablauf des befristeten Einredeverzichts ab dem 1.1.2011 berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben.

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