22.09.2016

Zu einem mit Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandenen Pfandrecht bei Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto

Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt, erstreckt sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar.

BGH 9.6.2016, V ZB 37/15
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 11.7.2013 verkaufte B (Verkäufer) den Eheleuten R (Käufer) ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 347.000 €. Der Verkauf erfolgte frei von im Grundbuch eingetragenen Belastungen. Der Verkäufer übernahm die Kosten der Lastenfreistellung. Laut Kaufvertrag sollte die Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto erfolgen. Der hinterlegte Kaufpreis sollte vorrangig dazu verwendet werden, die vertragsgemäße Lastenfreistellung zu erreichen, indem an die jeweiligen Gläubiger die von ihnen geforderten Ablösungsbeträge zu zahlen seien. Der Verkäufer wies den Notar diesbezgl. an, alle ihn im Zusammenhang mit dem Vertragsvollzug treffenden Kosten aus dem Notaranderkonto zu begleichen. Der Notar wurde ferner von den Vertragsparteien in einseitig nicht widerruflicher Weise angewiesen, den Restkaufpreis nach Eintritt der im Kaufvertrag geregelten Auszahlungsvoraussetzungen auf ein Konto des Verkäufers zu überweisen. Der Kaufpreis wurde im August 2013 auf das Notaranderkonto eingezahlt.

Die Kaufpreisforderung war Gegenstand mehrerer durch verschiedene Gläubiger des Verkäufers veranlasster Pfändungen. U.a. brachte die Beteiligte zu 1) auf Grundlage eines Zahlungstitels eine Vorpfändung des Kaufpreisanspruchs aus, die den Käufern am 18.7.2013 zugestellt wurde. In gleicher Sache erwirkte sie am 30./31.8.2013 die Zustellung einer erneuten Vorpfändung des Kaufpreisanspruchs bei den Käufern. Der entsprechende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde ihnen am 10.9.2013 zugestellt. Aufgrund eines titulierten Zahlungsanspruchs i.H.v. rd. 73.000 € wurde durch den Beteiligten zu 2) sowohl der Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung als auch dessen Auskehrungsanspruch aus dem Notaranderkonto gepfändet. Die vorausgegangene Vorpfändung wurde dem Notar am 17.9.2013 und der entsprechende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 14.10.2013 zugestellt. Ebenfalls am 14. Oktober 2013 erwirkte die Beteiligte zu 1) die Zustellung eines weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Notar, durch welchen der Auskehrungsanspruch des Verkäufers gepfändet wurde.

Bei Eintritt der Auszahlungsreife ergab sich nach Abzug aller an die auszulösenden Gläubiger gezahlten Beträge ein Guthaben i.H.v. rd.20.000 € auf dem Notaranderkonto. Mit Vorbescheid vom 22.11.2013 kündigte der Notar an, von dem hinterlegten Geldbetrag einen Teilbetrag auf sein Geschäftskonto einzuzahlen, damit von dort die Grundbuchkosten der Lastenfreistellung bestritten werden könnten. Der Restbetrag von 17.616,16 € werde an den Rechtsanwalt des Beteiligten zu 2) überwiesen. Hiergegen legte die Beteiligte zu 1) bei dem Notar Beschwerde ein. Sie möchte die Anweisung des Notars erreichen, von dem verbleibenden Restbetrag den durch sie gepfändeten Betrag i.H.v. rd. 2.400 € an sie auszuzahlen, hilfsweise diesen Betrag an die Käufer zurückzuzahlen.

Der Notar half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem LG zur Entscheidung vor. Dieses wies die Beschwerde zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligte zu 1) hob der BGH den Beschluss des LG und den Vorbescheid des Notars auf und wies den Notar an, unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats neu über die Auskehrung des auf dem Notaranderkonto befindlichen restlichen Guthabens zu entscheiden.

Die Gründe:
Rechtsfehlerhaft nimmt das LG insbesondere an, auch durch die erneute, den Käufern am 30./31.8.2013 zugestellte Vorpfändung des Kaufpreisanspruchs i.V.m. dem ihnen am 10.9.2013 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss habe die Beteiligte zu 1) kein Pfändungspfandrecht erwerben können.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung von dem Notaranderkonto unwirksam, wenn nicht zugleich auch der der Verwahrung zugrunde liegende Anspruch - hier der Kaufpreisanspruch - gepfändet wird. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Verkäufer ansonsten über seine Forderung noch frei verfügen könnte und dies mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre. Die umgekehrte Konstellation und damit die Frage, welche Wirkung einer isolierten Pfändung des Kaufpreisanspruchs zukommt, wird dagegen unterschiedlich beurteilt. Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht ist die Pfändung des Kaufpreisanspruchs ohne gleichzeitige Pfändung des gegenüber dem Notar bestehenden Auskehrungsanspruchs unbeachtlich. Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung genügt hingegen eine isolierte Pfändung des Kaufpreisanspruchs, da sich das hieran begründete Pfändungspfandrecht auf den Auskehrungsanspruch erstrecke.

Der Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Auffassung. Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt, erstreckt sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch gegen den Notar. Die mit der Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne weiteres auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen. Die Vorschrift des § 401 BGB erfasst neben den dort genannten Rechten auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind.

Der Auskehrungsanspruch gegen den Notar ist nach BGH-Rechtsprechung im Verhältnis zur Kaufpreisforderung als ein solches Nebenrecht einzuordnen. Die Einschaltung des Notars zur Abwicklung des Kaufpreises soll sicherstellen, dass die Ansprüche der Parteien Zug um Zug erfüllt werden. Die Vertragspartner sollen vor rechtlichen Nachteilen geschützt werden, die mit Inhalt und Zweck der getroffenen Regelung nicht vereinbar sind. Der Auszahlungsanspruch gegen den Notar entsteht im Zuge der Vertragsabwicklung; er hängt daher, solange die Kaufpreisforderung noch nicht erloschen ist, eng und unmittelbar mit ihr zusammen. Der Anspruch gegen den Notar wird nur deshalb begründet, weil der Verkäufer von seinem Vertragspartner nicht Zahlung an sich verlangen kann; er ergänzt die vertragliche Forderung. Die Abtretung des Kaufpreisanspruchs führt deshalb entsprechend § 401 BGB auch zum Übergang des Auskehrungsanspruchs gegen den Notar. Die vom LG für zwingend erforderlich gehaltene zusätzliche Pfändung des Auskehrungsanspruchs findet vor diesem Hintergrund im Gesetz keine Stütze.

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